Pamirgebirge – ein ganz besonderes Erlebnis

Als ich Anfang des Jahres gefragt wurde, ob ich mir nochmal einen Einsatz in Tadschikistan vorstellen könne, musste ich nicht lange überlegen, so intensiv waren noch die Eindrücke der Reise 2019.

Nach der Coronazwangspause konnte es nun endlich wieder losgehen!

Schnell war ein Mitstreiter gefunden, Dr. Eckhard Dobroschke, der vor drei Jahren für dentists & friends mit seinem Sohn in Uganda gearbeitet hatte. Inzwischen hat er seine Praxis seinem Sohn übergeben.

Nachdem alle Reisevorbereitungen getroffen waren, machte sich in rüstiges Rentnerteam (außer uns noch Ärzte, Ingenieure und ein Optiker) Mitte August auf den Weg über Istanbul nach Dushanbe, der Hauptstadt Tadschikistans. Dann ging es zwei Tage mit dem Auto nach Basid.

Die ehemalige Sowjet-Republik Tadschikistan rangiert auf der UN-Länder-Liste der Wirtschaftskraft noch hinter Somalia auf Rang 156. 32 % der Bevölkerung leben unter der von der Weltbank definierten Armutsgrenze. Die autonome Provinz Berg-Badachschan im Osten Tadschikistans, eine Steinwüste im Pamirgebirge, liegt zwischen 1200 und 7495 Metern hoch. Unser Einsatzort, Basid, befindet sich dort im Bartangtal auf 2400 Metern Höhe.

Seit über zehn Jahren reist das Ärzteehepaar Gisela und Peter Bondes ein- bis zweimal jährlich dorthin, um medizinische Hilfe zu leisten. 2013 gründeten sie den Verein Pamir Hilfe e. V. (pamir-hilfe.de) und machten sich 2015 daran, eine neue Krankenstation zu bauen, nachdem die alte durch ein schweres Erdbeben zerstört worden war. Das Hospital wurde 2019 fertiggestellt, und zum ersten Mal konnte auch zahnmedizinische Hilfe angeboten werden.

Es hatte sich schon damals gezeigt, dass Zahnbehandlungen hier extrem nötig sind. Unversehrte Zähne sind eine Seltenheit, tief zerstörte Zähne und Wurzelreste die Regel. Fast jeder unserer ca. 400 Patienten hatte schon mehrfach erfahren, wie schmerzhaft es ist, wenn ein Nerv infolge tiefer Karies abstirbt. Leider auch fast alle Kinder. Zahnbehandlungen sind kaum erschwinglich und nur nach einer Autofahrt von wenigstens vier Stunden überhaupt möglich.

Nun hat sich diese Lage drei Jahre später erwartungsgemäß nicht geändert. Immer wieder haben wir die Patienten enttäuscht, wenn wir ihnen sagen mussten, dass wir devitale Zähne nicht füllen  und tief kariöse Schneidezähne nicht mittels einer Reinigung wieder weiß machen könnten.

Es war ein Kampf gegen Windmühlen. Das Hospital hatte organisiert, dass jeden Tag Sammeltaxen aus einem jeweils anderen der umliegenden Dörfer zur Behandlung fuhren. Sogar am Sonntag! Teilweise waren sie mehrere Stunden unterwegs, so dass wir niemanden nach Hause schicken wollten. Abends haben wir dann unsere Rentnerrücken ordentlich zu spüren bekommen!

Ich war sehr froh, dass ich in Eckhard Dobroschke einen chirurgisch hochversierten und erfahrenen Kollegen hatte, dem ich bedenkenlos alle schwierigeren Fälle übergeben konnte. So war die Arbeit ganz entspannt. Die Zusammenarbeit war unkompliziert und angenehm. Bisweilen entlud sich der Stress auf kindliche Art in einer kurzen Wasserschlacht (manchmal auch mit Anästhetikum), und wir fanden immer auch Anlässe, herzhaft zu lachen.

In Tamano, einer jungen Frau aus Basid, hatten wir eine engagierte Dolmetscherin und Helferin, die bald selbständig die Patienten aufklärte und für uns Materialien vorbereitete.

Mit ihr war ich auch an einem Vormittag an der Schule, um noch einmal die Kinder und Lehrer über Ernährung und Mundhygiene aufzuklären. Bereits vor drei Jahren hatte meine Kollegin Johanna ausführlich das Zähneputzen in der Schule geübt.

Umso enttäuschter war ich, als sich auf meine Frage, wer denn eine Zahnbürste habe und sich die Zähne putze, von achtzig Schülern nur zwei meldeten. Ähnliche Erfahrungen hatten wir auch in Bolivien und Haiti gemacht.

Wir müssen wohl realisieren, dass punktuelle Aufklärungsarbeit wenig ausrichten kann gegen eingefleischte Glaubenssätze und Traditionen sowie nicht zuletzt die zuckerhaltigen Produkte der modernen Nahrungsmittel-Industrie. Es müssen dringend Wege gefunden werden zu kontinuierlichem Mundhygiene-Training.

Als sehr erholsam habe ich empfunden, dass wir drei Wochen lang keine Nachrichten empfangen konnten (WLAN gab es nur höchst sporadisch) und kaum Autoverkehr ausgesetzt waren.

Unsere private Unterkunft bei der Englischlehrerin Pari, die uns schon vor der Schule das Frühstück servierte, nachdem sie ihre Ziegen auf die Weide gebracht hatte, war sehr angenehm, und die Ernährung (vegetarisch, basisch und alles biologisch aus dem eigenen Garten) ließ manche Magenprobleme verschwinden. Die Menschen dort sind lebensfroh und äußerst zugewandt, ohne aufdringlich zu sein.

Abgerundet wurde unsere Reise durch eine viertägige Tour durchs Pamirgebirge über abenteuerliche Schotterpisten und beängstigende Brücken. Eine beeindruckende, majestätische Landschaft!

Vielen Dank an alle, die diese Reise möglich gemacht haben: Gisela Bondes von der Pamirhilfe für ihre Organisation und Odina und Nurali, die uns unermüdlich und professionell trotz Autopannen durch unwegsame Gegenden befördert haben.