Bericht Bolivien - Februar 2023

Ein Famulaturbericht von Ella, Maria, Irmi und Johanna

 

Februar 2023: Endlich war es so weit, es herrschte Aufbruchstimmung und wir freuten uns auf unsere große Reise ins ferne Bolivien. In Deutschland mussten wir uns noch um ein paar Dinge kümmern, wie z.B. unsere Impfungen und die Reiseapotheke auffrischen, Spenden besorgen, etc.

Annette, unsere liebe Ansprechpartnerin aus Baden Baden in Deutschland & Organisatorin der ganzen Famulatur, hat uns im Vorhinein schon mit vielen Infos versorgt und wollte dieses Jahr, nach 3 Jahren Coronapause, auch wieder Mal nach Bolivien reisen und verbrachte ganze 5 Wochen mit uns. Gearbeitet haben wir jedoch selbstständig, sie wollte nur Mal wieder an beiden Einsatzorten nach dem Rechten schauen und sich unteranderem die neuere Unterkunft in Santa Cruz ansehen.

Unsere Famulatur startete mit einem Flug über Madrid nach Santa Cruz. Am Flughafen wurden wir schon mit einem Namensschild abgeholt und in die Freiwilligenunterkunft gebracht. Die Unterkunft liegt im ärmeren äußeren Stadtring von Santa Cruz. Die Innenstadt ist jedoch mit der Buslinie 21, die ca. alle 10 min vorbeikommt, einfach zu erreichen. Man stellt sich einfach vors Haus (es gibt keine offiziellen Haltestellen) an den gegenüberliegenden Straßenrand und streckt die Hand raus, wenn man den Bus anfahren sieht. Im Bus drückt man dem Fahrer 2 Bolivianos in die Hand und dann heißt es gut festhalten und den Fahrtwind genießen. Wenn man aussteigen möchte, ruft man einfach „Pare por favor“. Empfehlenswert für das Busfahren in Santa Cruz ist auch die App „Cruzero“, dort sieht man, wo die verschiedenen Buslinien entlangfahren.

Am ersten Tag waren wir direkt mit Nacira bei der Plataforma Solidaria und danach kauften wir gemeinsam mit ihr alle möglichen Gebrauchsmaterialien in der Innenstadt ein, die uns für unsere Arbeit fehlten, aber auch Essen für die nächsten Tage (in der Unterkunft hat man die Möglichkeit selbst zu kochen) und SIM-Karten (wichtig: Karte vom Anbieter Entel, vor allem für Challa). In diesem Zuge konnten wir auch Geldwechseln bzw. Abheben, in der Umgebung der Unterkunft haben wir dafür keinen Bankautomaten oder Ähnliches gesehen. Zu den SIM-Karten ist noch zu erwähnen, dass man diese aufladen kann, in dem man sich an einem beliebigen Kiosk Guthaben kauft, das gilt auch für Challa auf der Isla del Sol.

An den zwei Wochenenden in Santa Cruz schauten wir uns die Stadt an, erkundeten die Nachbarschaft, besuchten mehrere Märkte, die Lomas de Arena und Cotocá. Ganz viel einheimisches Essen durfte auch nicht fehlen, wie zum Beispiel Empanadas, Arepas und Brochetas. Die Getränke Mocochinchi und Api sind typische Getränke, allerdings natürlich sehr süß und mit viel Zucker.

Die „Kjaras de Tio Edu“ und den „Pollo al broaster“ gegenüber von der Freiwilligen-Unterkunft müsst ihr auch ausprobieren. Außerdem ist der „Mercado Sur“ sehr empfehlenswert, dort kann man auch lecker zu Mittag essen und den Wocheneinkauf erledigen.

Am Montag begann dann unser erster Arbeitstag. Wir wurden jeden Tag von der Unterkunft abgeholt und wieder zurückgebracht, meistens von Naciras Mann.

Der erste Tag startete direkt mit einer plastischen Deckung nach MAV. Aber auch das haben wir gut geschafft. Die meiste Zeit haben wir aber Füllungen gelegt und natürlich Zähne gezogen. In den zwei Wochen in Santa Cruz haben wir ca. 120 Patienten jeglichen Alters behandelt. Es gibt auf jeden Fall sehr viel zu tun. Der Hausmeister Roland ist auch sehr nett, stets hilfsbereit und kümmert sich darum, dass die Nachbarschaft über die Anwesenheit der zahnmedizinischen Behandler*innen informiert ist.

Das Behandlungszimmer ist zwar klein, aber gut ausgestattet und eigentlich hat man alles, was man braucht (außer vielleicht eine Luer-Zange und ein Periotom), auch eine Lindemannfräse sollte es jetzt vor Ort geben. Manchmal spinnt der Sauger und der Stuhl lässt sich in seiner Position nicht verstellen, aber sonst funktioniert normalerweise alles.

Die Menschen waren auch alle sehr nett und vor allem das Essen, welches jeden Tag frisch von den Müttern der Kinder, die die Plataforma täglich besuchen, in der Küche zubereitet wurde, war immer unser kulinarisches Tages-Highlight.

Nach 2 Wochen Santa Cruz ging es dann am Samstag weiter nach Sucre. Für einen Teil von uns mit einem 40-minütigen Flug (kaum hingesetzt landete man schon wieder), der andere Teil nahm den Nachtbus (was die beiden Nachtbuspassagierinnen nur empfehlen können). Der Ansprechpartner in Sucre heißt Arturo, von seinem Sohn Aaron haben wir eine kleine Stadtführung bekommen und den restlichen Samstag und Sonntag hatten wir dann für uns. Sucre hat uns sehr gut gefallen! El Museo de la Libertad, La Plaza 25 de Mayo, El Mercado Central, La Iglesia de San Felipe, der Friedhof und die Recolata sind einige Sehenswürdigkeiten, die man in dieser historisch geprägten Stadt gesehen haben sollte.

Von Sonntag auf Montag ging es dann weiter per Nachtbus nach Uyuni. Dort starteten wir, nach einer Übernachtung vor Ort, unsere 3-tägige Salar-Tour mit einem All-Rad-Antrieb-Geländewagen.

Unser Tourguide hieß Luís. Er hat uns super viele Dinge erklärt, uns morgens, mittags und abends mit leckerem Essen versorgt und sicher von A nach B gebracht, obwohl die Straßenverhältnisse wirklich nicht einfach waren und wir mehrere Straßenblockaden umfahren mussten. Am ersten Tag ging es durch die Salar de Uyuni, wo natürlich auch die typischen Spiegelbilder entstanden sind. Am zweiten und dritten Tag sind wir bis an die Grenze von Argentinien und Chile gefahren und haben farbenfrohe Lagunen, trabende Vicuñas, pinke Flamingos, dampfende Geysire und heiße Thermalquellen gesehen. Absoluter Tipp: Auch, wenn es abends schon kühl ist, lohnt sich ein wärmendes Bad im Becken der heißen Quelle direkt an der Lagune. Man wird belohnt mit dem schönsten Sternenhimmel, den zumindest wir, je gesehen haben. Die Tour war einfach atemberaubend und ist auf jeden Fall empfehlenswert. Man sollte sich jedoch vorher bewusst machen, dass es in den einfachen Unterkünften meist keine Dusche, kein warmes Wasser und kein Handyempfang bzw. Internet gibt und es nachts kalt werden kann. Aber es lohnt sich trotzdem auf jeden Fall!

Nach 3 Tagen Wüsten-Abenteuer ging es dann mit dem Nachtbus nach La Paz. Auch auf dieser Fahrt gab es wieder „Bloqueos“, weswegen die Busfahrten in Bolivien auch mal 16 Stunden dauern können.

In La Paz kauften wir dann die restlichen medizinischen Materialien für Challa ein (Isla del Sol), genossen eine schöne warme Dusche und einen schönen Abend in der Innenstadt. Am nächsten Tag wurden wir schon von Víctor (Ansprechpartner in La Paz) abgeholt. Er brachte uns zum Bahnhof und setzte uns in den richtigen Bus, der uns nach Copacabana brachte. In Copacabana wurden wir von Nelson in Empfang genommen, bei dem wir auch die nächsten 2 Wochen wohnen sollten. Dort legten wir eine kurze Pause ein und kauften nochmal frisches Obst und ein paar Snacks ein, da es auf der Insel nur kleine Kioske gibt, nicht aber einen richtigen Markt oder Supermarkt. Anschließend brachte uns ein kleines Boot nach Challa. Nelsons Hostel liegt direkt am Wasser, man schläft mit Wellenrauschen unter dem Sternenhimmel ein und kann morgens die Schafherden und Schulkinder beobachten, die am Hostel vorbeilaufen. Allerdings gibt es immer wieder Mal kein fließendes Wasser, nur selten warme Duschen und nachts ist es wirklich eiskalt. Also nehmt unbedingt einen Schlafsack und warme Kleidung und eine dichte Regenjacke (je nach Jahreszeit kann es viel Gewittern) mit.

Auch in Challa wurden wir, nach kurzer anfänglicher Zögerlichkeit, geradezu von Patienten überrannt und hatten Mal wieder viel zu tun. Nicht selten saßen wir bis 20 Uhr in der Praxis, um alle Patienten behandeln zu können. Die Behandlungseinheit hat bei uns einwandfrei funktioniert und ist deutlich moderner als die in Santa Cruz, sodass wir innerhalb der 9 Tage ganze 84 Patienten behandeln konnten. Vormittags waren es meistens ältere Patienten, vor allem die einheimischen „Cholitas“ und nachmittags kamen dann die Schulkinder bei uns vorbei.

Außerdem waren wir auch in der Schule von Challa und haben in jeder Klasse einen Vortrag gehalten und mit den Kleinen und Großen das Zähneputzen geübt.

Ehrlich gesagt erwarteten wir in Challa schlimmere Zustände als in Santa Cruz bezüglich der Mundhygiene, allerdings wurden wir positiv überrascht. Der Zustand ist tatsächlich besser als in Santa Cruz und die jahrelange Arbeit und Aufklärung der letzten Gruppen haben anscheinend Wirkung gezeigt!

Um zur Praxis zu gelangen, muss man 20 Minuten einen steilen Berg hochlaufen, was manchmal auf ohnehin schon fast 4000 Höhenmetern etwas anstrengend sein kann. Man wird aber mit einer tollen Aussicht belohnt und ständig laufen einem Esel, ganze Schafherden und Schweine über den Weg.

Am Wochenende machten wir einen Ausflug nach Yumani, der touristischste Ort auf der Insel, wo man gut essen gehen, das WLAN dort nutzen und die „Fuente del Inca“ besichtigen kann. Am nächsten Tag machten wir dann eine große Wanderung einmal quer über die ganze Insel, um die Chincana Ruinen zu sehen. Beim letzten Stopp in Challapampa kann man gut seinen Snackvorrat auffüllen und leckere Säfte trinken (14km, Camino del Norte). Man kommt während der ganzen Wanderung bei den tollen Aussichten nicht aus dem Staunen heraus.

Am letzten Tag wurden wir dann wieder über Copacabana nach La Paz gebracht. Dort holten wir mit Víctor und seiner Frau Paola die Stadtführung nach. Sie zeigten uns El Valle de Luna, das Seilbahnsystem und den Mirador Killi Killi mit einer tollen Aussicht über ganz La Paz und erklärten uns viel über die Geschichte dieser einzigartigen Stadt.

Nun zu der Frage ob sich die letzten 5 Wochen gelohnt haben: Auf jeden Fall! Wir haben in Bolivien Erfahrungen fürs Leben gesammelt und viel dazugelernt. Unser zahnmedizinisches Improvisationstalent und unsere Anpassungsfähigkeit an besondere Behandlungssituationen wurden gefordert und gefördert.

Wir haben viele großartige Dinge gesehen, hatten engen Kontakt zu den Einheimischen und haben eine neue Kultur sowie sehr viele tolle Menschen kennengelernt.

Den städtischen Trubel in Santa Cruz und das gegensätzliche rudimentäre Landleben auf der Isla del Sol mitzubekommen, hat uns ordentlich zum Nachdenken angeregt.

Noch eine wichtige Info: Es ist definitiv wichtig Spanischkenntnisse zu haben. Wir hatten zwar das Glück eine Muttersprachlerin dabei zu haben, aber das ist ja eher selten der Fall. Für die korrekte Aufklärung und anamnestische Befragung der Patienten ist eine gute Verständigung wichtig.

Ein besonderes Dankeschön gilt Annette von Dentists and Friends, Max Steiner von Hostelling International in Bolivia, Nacira und ihrem Mann, Ronald und Freddy aus der Plataforma, Arturo und Aaron in Sucre, Luís, Víctor und Paola, Nelson und seiner Tochter Cielo.

Außerdem wollen wir uns beim ZAD, bei der Zahnarztpraxis Eibl in Landshut, Meisinger, Komet, Ivoclar, Septodont, Tokuyama, Voco und Dental Bauer für die ausgiebige Unterstützung & die zahlreichen Spenden bedanken. Letztere haben uns die Arbeit deutlich erleichtert und für viele erfolgreich behandelte Patienten gesorgt!