Einsatzbericht Haiti 2014

Schule - Bon Berger

Nach Hause kommen

Als meine junge Kollegin Anne Bauhof und ich vor zwei Jahren zu unserem ersten Einsatz nach Haiti aufbrachen, wussten wir kaum, was uns erwartet. Diesmal war es beinahe wie »nach Hause kommen«. Für Irina Reichgeld, die uns diesmal tatkräftig unterstützte, war es ein neues, eindrucksvolles und unvergessliches Erlebnis. Sie will unbedingt das nächste Mal wieder dabei sein. Schon am Flughafen in Port au Prince gab es ein freudiges Wiedersehen. Wie bereits vor zwei Jahren war Lyonel vom Vorstand unserer Partnerorganisation extra aus Miami angereist, um sich um alles zu kümmern. Diesmal brachte er einen ärztlichen Kollegen (ebenfalls Haitianer) mit. Auch der Schuldirektor, Erodor, ließ es sich erneut nicht nehmen, zu unserer Begrüßung nach Port au Prince zu kommen. Zwei Geländewagen standen bereit, und Tifrere, der Fahrer, wich wieder sehr geschickt allen Schlaglöchern aus. Die Fahrt durch Port au Prince hat uns noch einmal sehr betroffen gemacht. Die Zustände dort haben sich kaum gebessert. (Auf historische und geographische Informationen verzichte ich hier, sie können dem Bericht über unseren letzten Einsatz entnommen werden).

Ein tolles Team
Ein tolles Team

Nach fünf Stunden erreichten wir Port Salut. Mami Nonette (Lyonels Mutter und Gründerin der Schule, in der wir behandelten) begrüßte uns herzlichst, besonders Anne (»my crazy daughter« nennt sie sie liebevoll). Der Ausbau ihres Hauses hat inzwischen Fortschritte gemacht, so dass wir sogar zwei Zimmer mit großem eigenen Bad und häufig fließendem Wasser beziehen konnten. Auch war die defekte Luftmatratze durch eine Federkernmatratze ersetzt worden. Welch ein Luxus! Bei Mami Nonette fehlte es uns an nichts. Sie kochte wieder vorzüglich, sorgte dafür, dass unsere Wäsche gewaschen, unsere Zimmer geputzt und die Instrumente abends ausgekocht wurden, so dass wir uns nach den wirklich harten Arbeitstagen bestens erholen konnten.

Der Blick von unserem Balkon
Der Blick von unserem Balkon

Teamwork

Am nächsten Morgen bezogen wir unser »Behandlungszimmer«. Jaques, der Hausmeister der Schule, hatte schon alles vorbereitet. Tische, Stühle, Eimer und Schüsseln waren bereits sinnvoll angeordnet, so als wären wir gestern erst ausgezogen. Ein Lehrer registrierte die Patienten und achtete auf die Reihenfolge. Auch Marcel, der Englischlehrer vom nächsten Gymnasium, stand wieder parat. Diesmal hatte er zwei seiner besten Schüler dabei, so dass jede von uns ihren persönlichen Dolmetscher hatte. Sie waren unglaublich wissbegierig und stellten viele Fragen. Nach kurzer Zeit fragten sie die Patienten selbständig nach Erkrankungen und Medikamenteneinnahme und übernahmen die Aufklärung nach Extraktion auf Kreol. Sie hatten es oft genug übersetzt.

Alles klappte wie am Schnürchen. Unaufgefordert wurden Köpfe gehalten, die Padflaschen der Einheit ausgewechselt, Instrumente gewaschen, Spritzen vorbereitet und Wangen abgehalten. Nachdem an einem Nachmittag der zweite Patient kollabiert war, weil er viele Stunden hatte warten müssen, ohne zu essen, bat ich einen der Schüler, die lange Wartenden anzuhalten etwas zu sich zu nehmen. Da hatte er sie schon längst zum nächsten Kiosk geschickt. Wir konnten wie in einer perfekt durchorganisierten Praxis arbeiten, indem wir von einem Stuhl (in dem Fall aus Holz) zum anderen wechselten, mit dem Unterschied, dass alle Behandlungen in einem großen Raum stattfanden. Es herrschte eine sehr lebendige, aber fröhliche, fast familiäre Atmosphäre.

Auch Baba, ein junger einheimischer Kollege, war wieder dabei und half uns an drei Tagen. Er kam extra aus der Hauptstadt, weil er wusste, dass wir wieder da sind (Facebook macht ´s möglich. Wenn er abends mit Anne ausgehen wollte, musste er erst bei Mami Nonette Rechenschaft darüber ablegen, wo sie hingehen und wann er sie zurückbringt).

Wir konnten pro Tag 70 bis 90 Patienten versorgen. Zufrieden machte uns, dass wir nicht ganz so viele Zähne extrahieren mussten, sondern mehr Füllungen legen konnten als beim letzten Mal. Das führte dann leider dazu, dass uns am Ende nicht nur die Kräfte, sondern auch das Material ausgingen, und wir gerade auch viele Schüler unbehandelt wieder wegschicken mussten.Die Arbeit war sehr anstrengend, wurde aber mit großer Dankbarkeit belohnt, und auch die Freizeit kam nicht zu kurz. An Sonn- und Feiertagen erholten wir uns am Strand oder wurden von zwei Lehrern mit Mopeds zu verschiedenen Sehenswürdigkeiten in der Nähe gefahren. Auch wurden wir zu einer Hochzeit, einer Geburtstagsfeier und einer Hauseinweihung eingeladen. Das waren ganz besondere Erlebnisse.

Bequem ist es weder für den Patienten noch für den Behandler
Bequem ist es weder für den Patienten noch für den Behandler

Am letzten Abend luden wir das ganze Team zum traditionellen Lobsteressen beim Sonnenuntergang am Strand ein.

Unser Abschiedsessen am Strand
Unser Abschiedsessen am Strand

»Bis zum nächsten Mal – wenn wir nicht schwanger sind!«

So herzlich der Empfang war, so traurig war der Abschied. Als Anne auf die Frage, ob sie in zwei Jahren wiederkommt, antwortete: »Auf jeden Fall, wenn ich nicht schwanger bin«, sagte Mami Nonette (75), sie ist auch wieder dabei, wenn sie noch lebt und nicht schwanger ist.

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