Voller Vorfreude starteten Ute und Thu-My am Flughafen Frankfurt ihre Reise nach Santa Cruz, Bolivien. Nach knapp 18 Stunden landeten sie am Flughafen in Santa Cruz, wo sie planmäßig von einem Taxifahrer empfangen und zur Unterkunft gebracht wurden.
In der Zwischenzeit saßen Elina und Mirko im Nachtbus nach Santa Cruz. Die beiden befinden sich momentan auf einer zweijährigen Weltreise und hatten Bolivien bereits ein paar Wochen lang erkundet. Die Freude war groß, als wir uns nach einiger Vorbereitung nun endlich persönlich trafen und unser gemeinsames Projekt in Bolivien beginnen konnten.
Wir verbrachten insgesamt sieben Tage gemeinsam in Santa Cruz. Am ersten Tag trafen wir Nacira, unsere Ansprechpartnerin vor Ort. Sie brachte uns zur Plataforma Solidaria, wo wir den Behandlungsraum besichtigten, in dem wir ab Montag für fünf Tage arbeiten würden.
Die Plataforma Solidaria liegt in einem der ärmsten Stadtteile von Santa Cruz. Sie umfasst einen Kindergarten, einen Speisesaal, in dem etwa 60 Kinder und Jugendliche frühstücken und zu Mittag essen, sowie Lern- und Sportangebote. Gelegentlich arbeitet hier ein zahnärztliches Team in einem Behandlungszimmer, das von Annette organisiert wird.
Wir lernten Ronald kennen, der uns in der Plataforma stets unterstützte, alle unsere Fragen beantwortete und unter anderem den Patient*innenstrom koordinierte. Anschließend fuhren wir in die Innenstadt, um alles Nötige für die bevorstehenden Behandlungen einzukaufen. Am nächsten Tag erkundeten wir Santa Cruz auf eigene Faust, besuchten unter anderem die Plaza Metropolitana und genossen den weiten Blick über die Stadt von der Aussichtsplattform der Catedral Metropolitana.
Von Montag bis Freitag brachte uns Naciras Mann täglich zur Plataforma und zurück zur Unterkunft. Dort behandelten wir Kinder, ihre Familienmitglieder und auch Mitarbeitende der Plataforma – es gab immer viel zu tun. Manche Patient*innen kamen bereits morgens, wurden auf die Warteliste gesetzt und warteten bis zu 7,5 Stunden auf ihre Zahnbehandlung. Ronald behielt den Überblick und riet einigen, am nächsten Tag wiederzukommen, da sie am gleichen Tag nicht mehr dran kämen.
Wir mussten uns rasch an die Hygienestandards vor Ort und die ungewohnte Ausstattung anpassen. Wir führten Zahnreinigungen durch, legten Füllungen und entfernten Zähne bzw. führten Osteotomien durch. Die alte Behandlungseinheit stellte eine Herausforderung dar: Die Dichtungen am Winkelstück bzw. an der Turbine waren undicht, sodass an manchen Tagen der Behandlungsraum unter Wasser stand und die Patient*innen durchnässt herauskamen. Mit Teflonband gelang es uns teilweise, die undichten Stellen zu beheben. Wir informierten Nacira, die sich darum kümmerte, dass die Einheit nach unserem Einsatz in der Plataforma weitgehend repariert wurde.
Da wir kein Spanisch sprachen, war die Kommunikation mit den Patient*innen schwierig. Glücklicherweise hatten Mirko und Elina auf ihrer Weltreise schon gut Spanisch gelernt und konnten alle wichtigen Informationen für die Patient*innen übersetzen. Jeden Mittag bekamen wir im Speisesaal der Kinder eine warme Mahlzeit.
Am letzten Tag wurden wir von allen Anwesenden in der Plataforma herzlich verabschiedet, und unsere Arbeit vor Ort wurde mit Dankbarkeit aufgenommen.
Nun trennten sich unsere Wege für neun Tage. Mirko und Elina verbrachten einige Tage in Santa Cruz und nahmen an einer selbst organisierten Dschungeltour teil. Ute und Thu-My traten ihre organisierte Reise, von Hostelling International Bolivia, an. Mit dem Nachtbus ging es nach Sucre und danach nahmen sie an einer dreitägigen Tour durch die Salar de Uyuni teil. In La Paz trafen wir uns schließlich wieder und genossen dort die gemeinsame freie Zeit
Isla del Sol - Challa:
Nach zwei Tagen in La Paz ging es dann mit dem Bus weiter Richtung Copacabana. Nach ca. vier Stunden entlang des Titicacasees mit wunderschönem Blick auf die majestätischen Berge kamen wir am Plaza Sucre, im Zentrum von Copacabana an. Nach einer kurzen Stärkung mit Kuchen und Empanadas fuhren wir von hieraus mit dem Taxi nochmals 45 Minuten über kleine Schotterpisten bis die Straße plötzlich nicht mehr weiterging. Hier erwartete uns schon unser Kapitän mit seinem kleinen Boot, um uns nach Challa zu bringen. Bereits die Überfahrt über den Titicacasee, mit der Isla del Sol zu unserer Linken und den schneebedeckten Bergen zu unserer Rechten war wunderschön.
In Challa wurden wir bereits am Steg von Nelson erwartet und herzlich in Empfang genommen. Seine Schubkarre hatte er gleich mitgebracht, um unser Gepäck über den Strand zur Unterkunft zu bringen. Hier wurden wir gleich von Amaya, Nelsons 5-jähriger Tochter und Chucky, Nelsons einjähriger Hündin und ihren drei neugeborenen Welpen überrascht, mit welchen wir die nächsten Stunden verbrachten, bevor wir unsere Zimmer bezogen. Die einfachen, aber sauberen Zimmer hatten direkten Blick auf den See, so dass wir die nächsten drei Wochen nach dem wach werden als erstes auf den See schauen konnten. Nelson und seine Familie versorgten uns ab sofort mit drei tollen Mahlzeiten täglich und standen uns auch sonst immer mit Rat und Tat zur Seite. Bereits von Anette vorgewarnt musste man zwar einige Dinge gerne auch vier oder fünfmal erwähnen, bis sie dann schließlich erledigt wurden aber die Mentalität ist hier einfach etwas anders.
Am nächsten Tag wollten wir uns dann erstmal das Consultorio dental anschauen. Hierfür ging es 20 Minuten bergauf zum »Marktplatz« der Insel, der Verbindung zwischen dem Süden und Norden, an dem sich das Consultorio befindet. Wir freuten uns sehr, dass der Stuhl hier deutlich besser funktionierte und auch der Raum sehr viel grösser war als in Santa Cruz. Nachdem wir alles erstmal gründlich putzten und etwas umorganisierten waren wir bereit für den Behandlungsstart am nächsten Tag. Bevor es jedoch mit der eigentlichen Behandlung losging, wurden wir am nächsten Morgen erstmal an der örtlichen Schule vorgestellt. Hierfür stellten sich alle Schüler in Reihen auf dem Schulhof auf und sangen die Nationalhymne Boliviens, während gleichzeitig feierlich die bolivianische Flagge gehisst wurde. Nachdem dies erledigt war sollte es nun endlich mit der Behandlung losgehen. In den ersten Tagen kamen leider sehr wenig Patienten. Wir wurden jedoch diesbezüglich schon von Nelson und Annette vorgewarnt. Nicht nur sind die Inselbewohner etwas schüchtern, gleichzeitig ticken hier die Uhren auch einfach etwas langsamer. So wurden wir oft von vorbeilaufenden Inselbewohnern gefragt wie lange wir denn da seien. Auf die Antwort, dass wir 3 Wochen da sind, gingen sie dann auch gleich wieder mit der Aussage, dass sie ja dann in den letzten Tagen wiederkommen können. Auch das Angebot sie jetzt gleich dran zu nehmen, konnte daran leider meist Nichts ändern. Auch wenn es zu Beginn etwas an Patienten mangelte, hatte sich bei den Kindern der Insel schnell rumgesprochen, dass die dentistas wieder da sind. Jeden Tag besuchten uns daher unzählige Kinder, spielten mit uns Fußball und malten Bilder vor dem Consultorio, welche wir zu der bereits bestehenden Sammlung an die Wände hingen. Dass die Kinder hierbei immer ein Lutscher, ein Eis oder eine Flasche Cola im Mund hatten, selbst wenn Sie auf ihre Behandlung warteten, war hier leider völlig normal. Im Laufe der Zeit kamen dann jedoch immer mehr Patienten, wovon einige sogar täglich wiederkamen, da der Behandlungsbedarf ziemlich groß war. Die überwiegenden Behandlungen bestanden hier aus Füllungen, Kontrollen, Zahnreinigungen, Fluoridierungen und vielen Extraktionen.
Die Mittagspausen liefen meist gleich ab. Nach einem leckeren Mittagessen gab es für alle einen kurzen Powernap. Um danach wieder munter zu werden ging es anschließend bei durchschnittlichen 10 Grad Wassertemperatur kurz in den Titicacasee, um den Rest des Nachmittags wieder frisch weitermachen zu können. An den letzten beiden Tagen kam dann gefühlt die gesamte Insel und wollte nun doch noch schnell eine Behandlung. Warum wir dann nicht mehr alle Patienten drannehmen konnten und es daher gut wäre nicht erst an den letzten beiden Behandlungstagen zu kommen, konnten diese jedoch nicht wirklich nachvollziehen.
Die Wochenenden verbrachten wir damit die Insel zu erkunden. Hier wanderten wir einen Tag in den Süden der Insel nach Yumani, schauten uns die alten Inkaruinen an und genossen ein leckeres Mittagessen mit bester Aussicht auf den See. Am nächsten Tag erkundeten wir dann noch den wunderschönen Norden. Hin ging es über die Berge bis zu den Inkaruinen im Norden. Zurück entlang der Küste über Challapampa. Unser Ziehhund »Pedro«, welcher eines Morgens einfach da war und uns für den Rest des Aufenthaltes nicht mehr von der Seite wich, begleitete uns die gesamte Wanderung.
Nach zwei Wochen ging es für Ute dann auch schon zurück nach La Paz, um am nächsten Tag den Rückflug nach Deutschland anzutreten. Der Abschied fiel uns allen sichtlich schwer, da man in den letzten Wochen sehr zusammengewachsen war und gemeinsam viel erlebt hatte. Ein besonderes Highlight durften wir noch am nächsten Wochenende erleben, als uns Nelson und seine Familie zur Taufe ihrer Nichte in Copacabana einluden. Mit der gesamten Familie ging es zunächst mit dem Boot aufs Festland und von hier nochmal mit dem vollbepackten Minivan zur Kirche in Copacabana. Hier wurden nicht nur die örtlichen Taufen durchgeführt, sondern auch die extra hierfür geschmückten Autos aus dem angrenzenden Peru gesegnet. Eine Art göttliche Versicherung wie uns Nelson erklärte. Zurück in Challa wurde anschließend mit der gesamten Familie gegrillt, getanzt und viel getrunken.
Nachdem wir die letzte Woche nun also nur noch zu dritt behandelten, ging es dann auch für uns zurück Richtung La Paz. Hier hieß es dann nach vier gemeinsamen Wochen Abschied zu nehmen und auch für Thu-My ging es am nächsten Tag zurück nach Deutschland. Elina und Mirko blieben noch einige Tage in La Paz bevor es für sie mit dem Bus weiter Richtung Chile ging.
Für uns alle war es eine besondere Erfahrung und ein toller Einblick in eine völlig andere Kultur, an den wir uns noch lange erinnern werden.