Nun zum zweiten Jahr in Folge fliegen wir, das sind Oliver Motz (Programmierer, Allrounder), Judith Förster (Ärztin) und Johanna Motz (Zahnärztin), nach Kamerun, wo unser Verein 2014 eine Gesundheitsstation im Dorf Ademegola mitfinanziert hat. Das Dorf liegt in der spärlich besiedelten und nur wenig erschlossenen Region Ost des Landes. Seine Entwicklung wird wesentlich von einem privaten Verein geleistet, der von ehemaligen Dorfbewohnern gegründet wurde und unter dem Namen CODEVIA (coopération pour le développement du village d'Ademegola) verschiedene Projekte im Dorf und seiner näheren Umgebung betreut – darunter auch die Gesundheitsstation, die der Grund unseres Kommens ist. Konkreter Anlass ist die medizinische Kampagne (campagne médicale), die unser Partnerverein CODEVIA zweimal jährlich in der Region durchführt und von Dentists&Friends fachlich und finanziell unterstützt wird.
Neben dem üblichen (zahn-)medizinischen Gepäck reisen wir, dank einer Kooperationsvereinbarung mit dem Verein »EinDollarBrille« aus Erlangen, mit 600 Brillengestellen und 700 Gläsern verschiedener Stärke an, um dem ausgeprägten Bedarf an Sehhilfen gerecht werden zu können. Oliver, mittlerweile recht gut vernetzt in der Hauptstadt Jaunde, ist bereits eine Woche vorher angekommen und hat vieles, was wir für die Gesundheitsstation sonst noch als nützlich erachten, auf den diversen hektischen Märkten Jaundes erstanden: »Man muss diese Stadt als großen Abenteuerpark betrachten, dann macht es wirklich Spaß.«
Kampagne
War die Anreise von der Hauptstadt Jaunde ins Dorf Ademegola im letzten Jahr noch überaus beschwerlich und von zahlreichen Autopannen geprägt, bewährt sich diesmal der von Dentists&Friends finanzierte Toyota Hilux: In knapp fünf Stunden bewältigen wir die holprige Strecke durch den Regenwald ohne nennenswerte Zwischenfälle. In Ademegola werden wir von den Dorfbewohnern und den Kollegen herzlich begrüßt.
Viel Zeit zum gemütlichen Ankommen bleibt indessen nicht: Salomon und Samuel, die beiden Vorsitzenden von CODEVIA, haben eine sehr ambitionierte Kampagne vorbereitet. Neben der üblichen zahnmedizinischen Versorgung durch die ca. 30 Auszubildenden von Salomons École supérieure und ihren Lehrern soll dieser Tage auch der neue OP-Saal der Gesundheitsstation eingeweiht werden. Für zwei Tage kommen vier Chirurgen, die in dem neu eingerichteten OP-Saal Hernien operieren. Außerdem engagiert sind ein Augenarzt inkl. Assistenz aus Bertoua und zwei Allgemeinmediziner für grundlegende medizinische Konsultationen. Streng genommen handelt es sich also um vier parallel laufende Kampagnen: eine zahnärztliche, eine allgemeinmedizinische, eine chirurgische und eine ophthalmologische.
Entwicklungen der Station
Die Gesundheitstation, Zentrum und Basis der Kampagne, hat im vergangenen Jahr eine Reihe von Änderungen erfahren. Zunächst einmal personell: Der bisherige Pfleger Christian hat seine Position noch im vergangenen Jahr aufgegeben und wurde seitdem durch den Apotheker Sico so gut wie möglich vertreten. Erst kurz vor Beginn der Kampagne konnte in dem jungen, motivierten Yvain ein Nachfolger für Christian gefunden werden, der seine neue Aufgabe mit Tatkraft angenommen und sich bereits einen guten Stand in der Dorfgemeinschaft erarbeitet hat.
Darüber hinaus wurde – zumindest perspektivisch – die neue Stelle eines »Dentisten« geschaffen, die in absehbarer Zeit durch den jungen Borèce gefüllt werden soll. Diesem wurde es durch ein Stipendium von Dentists&Friends ermöglicht, eine dreijährige Ausbildung in Salomons zahnmedizinischer Schule zu absolvieren. Im Gegenzug verpflichtet sich Borèce, im Anschluss für 10 Jahre zahnmedizinisch in der Gesundheitsstation zu arbeiten. Mit diesem Sonderstatus ist er der einzige Schüler im ersten Ausbildungsjahr, der die Kampagne begleiten darf und uns tatkräftig unterstützend beweist, dass er ein echter »local« ist.
Bloc operatoire: Bei der ersten Visite der Gesundheitsstation zeigt uns Salomon stolz die neuesten Umbaumaßnahmen. So wurde seit unserem letzten Einsatz vor einem Jahr der ehemalige Mehrzweckraum der Station zu einem komplett gefliesten OP mit Fenstern und Klimaanlage umgebaut. Die Ausstattung ist mit einer OP-Liege, OP-Lampe und einem Infusionsständer jedoch noch eher puristisch, weshalb aktuell nur chirurgische Maßnahmen in Lokalanästhesie durchgeführt werden können.
Cabinet dentaire: Darüber hinaus wurde nun auch ein kleines Zimmer der Station professioneller für die dentale Versorgung der Patienten ausgestattet. Haben wir letztes Jahr noch auf Plastik-Gartenstühlen behandelt, steht uns dieses Jahr eine richtige Behandlungseinheit zur Verfügung. Sogar ein Röntgengerät für Intraoralaufnahmen wurde installiert. Die Vorfreude auf die neuen Behandlungsmöglichkeiten ist groß.
Campagne: Bevor wir uns am Tag nach unserer Ankunft in die Arbeit stürzen, freuen wir uns, die vielen Menschen wiederzusehen, die wir bereits letztes Jahr kennenlernen durften. Eine der großen Bereicherungen, wenn man öfter als einmal an den gleichen Ort für einen Einsatz fährt. Nach großem Hallo und einer gründlichen Sichtung sowie Verteilung des mitgebrachten, v. a. zahnmedizinischen Materials zusammen mit den »Schülersprechern« fallen wir ziemlich übernächtigt ins Bett. Dennoch stehen in der früh um 6 Uhr alle pünktlich auf, damit der Arbeitstag um 7 Uhr beginnen kann.
Zahnmedizin
Johanna unterstützt den zahnärztlichen Part der Kampagne. Zunächst hochmotiviert angesichts der erweiterten Möglichkeiten dank der besseren Ausstattung (Behandlungseinheit, Röntgengerät) stellt sich leider zügig Ernüchterung ein: Das digitale Röntgengerät macht keine Bilder. Die Behandlungseinheit ist nicht an eine Wasserquelle angeschlossen. Folglich können weder die Turbine gekühlt noch die Zähne mit Wasser abgesprüht werden. Unter diesen Voraussetzungen erscheint es doch gleich weniger unpraktisch, dass auch die Absaugung nicht funktioniert… Der Stuhl ist zwar mit einem Kompressor verbunden, jedoch haben Mäuse den Schlauch angenagt, weshalb der Druckaufbau nur mäßig funktioniert und der Kompressor im Dauermodus läuft – ein großartiger Soundtrack.
Der Rüttler, nötig für das Anmischen von Amalgam, den wir letztes Jahr vor Ort gelassen haben, ist nicht auffindbar. Das heißt, wir können nur Kompositfüllungen mit der sehr techniksensitiven Adhäsivtechnik legen. Hierfür haben wir uns einen sehr aufwendigen Workaround ausgedacht: Isolation der zu therapierenden Zähne mit Kofferdam, einer »bohrt«, ein zweiter sorgt mit einer Spritze für die nötige Wasserkühlung und ein dritter sorgt mit einer zweiten Spritze für die nötige Absaugung. Da mit dieser behelfsmäßigen Lösung nicht effektiv gearbeitet werden kann, wird von Johanna für diese Woche der Schwerpunkt auf die Ausbildung der Schüler von Salomon in Bezug auf Zahnerhaltung gelegt und nicht auf Maximierung der Patientenzahl. Dafür haben die Dentistenschüler im Nachbargebäude unter Supervision der Lehrer von Salomon mittels Extraktion viele Patienten von ihren Zahnschmerzen befreien können.
Optik aus Bertoua und Deutschland
Da wir im Zuge unserer Vorbereitung in Deutschland leider keinen Spezialisten für den Einsatz begeistern konnten, unterstützt Oliver den Optiker aus Bertoua mit den konfektionierbaren Brillen, die wir aus Deutschland mitgebracht haben. Zu diesem Zweck ist im Privathaus von Colbert, dem »Ingenieur von Ademegola«, eine separate Augenpraxis eingerichtet. Dort bestimmt der Optiker die Sehfähigkeit der Patienten und die ggf. notwendigen Korrekturen.
Dabei hebt die Anamnese nur selten direkt mit der Sehtafel an. Oft lautet die erste Frage des Optikers »Können Sie mich sehen?«, woraufhin zunächst die Fähigkeit zur Unterscheidung heller und dunkler Bereiche getestet wird. Erst dann prüft er anhand der Sehtafel auf Fehlsichtigkeit und verschreibt ggf. eine Brille.
Das eingesetzte System von »EinDollarBrille« ist einfach und flexibel: In ein Drahtgestell können Gläser verschiedener Stärken eingesetzt und so an die Augen des Patienten angepasst werden – insbesondere bei Altersweitsichtigkeit eine schnelle und kostengünstige Hilfe. Auch einfachere Fälle von Kurzsichtigkeit können wir auf diese Weise behandeln.
Leider sind etliche Fälle nicht durch eine rein optische Korrektur zu lösen, insbesondere Netzhautschäden durch Diabetes mellitus, welche wir direkt an die benachbarte Gesundheitsstation überweisen, und der weit verbreitete graue Star. Dieser ist oft durch diverse Hausmittel, wie das Einreiben mit diversen Kräutern, noch verschlimmert, so dass die Augen heftig entzündet sind. Die Patienten bitten zumeist um Augentropfen, doch können wir ihnen die bittere Erkenntnis nicht ersparen, dass ihr Augenlicht nur durch eine Operation wiederhergestellt werden könnte – fast allen fehlen dazu die Mittel.
Ein besonders tragischer Fall ist der juvenile Katarakt der siebzehnjährigen Biyam: Ihre Linsen sind bereits so weit getrübt, dass sie nur noch grob helle von dunklen Bereichen unterscheiden kann. An Lesen und Schulbesuch ist nicht zu denken. Ihrer Familie fehlen die finanziellen Mittel und sie können Biyam nicht versorgen; daher lebt sie in Obhut ihrer Tante, ohne jede Perspektive, etwas aus ihrem Leben zu machen.
Noch am gleichen Tag beraten wir über Biyams Fall und beschließen, sie bei ihrer Tante aufzusuchen – mit dem Angebot, die Operationskosten von ca. 400€ zu übernehmen. Besonderen Einsatz zeigt hier der junge Achille: Er bringt Oliver auf dem Motorrad bis in Biyams Dorf und übersetzt vom Französischen in die Landessprache Makaa. Außerdem übernimmt er die weitere Verantwortung für den Fall und wird Biyam nach Bertoua begleiten, wo die Kataraktoperation durchgeführt werden kann.
Bereits drei Wochen später – wir sind mittlerweile wieder in Deutschland – ist die Operation erfolgreich durchgeführt: Biyam kann wieder sehen und wird schon bald die Schule wieder besuchen.
Chirurgie und Allgemeinmedizin
Am Abend nach uns kommt ein Team Chirurgen aus Jaunde an - » früher haben wir hier unter dem Baum operiert«- sagt Maurice, ein »alter Hase« und erfahrener Chirurg, der begeistert ist von den Bedingungen des sauberen OP-Blocks ! »Wir machen so viele OPs wie möglich«. Das kommt uns erst sehr risikoreich vor - ehrlich gesagt entsteht im deutschen Team etwas Sorge, dies gehe auf Kosten der Qualität. Doch im Laufe der Zeit wird der Antrieb der hochmotivierten Chirurgen klarer. Eine Kampagne wie diese zu organisieren, ist bisher keine Routineangelegenheit.
Viele warten bereits seit Jahren auf die OP – die Warteliste ist lang – und die Scham und die Einschränkungen durch die Aussackungen zum Teil sehr gross, Hernien sind ein verbreitetes gesundheitliches Problem unter den Bauern in Ademegola. Durch die harte, muskulär anspruchsvolle Arbeit auf den »Feldern« entstehen häufig Aussackungen und es kommt dadurch je nach Lokalisation zu massiven Einschrånkungen wie Schmerzen, Schwierigkeiten beim Laufen, Sitzen und Arbeiten, und im schlimmsten Falle auch zu Todesfällen, wenn durch Einklemmungen oder Verdrehungen der Darmschlingen im Herniensack ein Darmverschluss entsteht.
Die Dringlichkeit ist den Chirurgen bewusst, und so werden aus den anfangs geplanten 12 OPs schließlich 41. Das Dorf feiert, wir haltendrei Tage lang zwischendurch ein wenig die Luft an … die Chirurgen arbeiten von morgens bis nachts, helfen in den Pausen zum Teil noch den Allgemeinmedizinern in den Sprechstunden aus, nehmen um 1h nachts nach getaner Arbeit ein stärkendes Mahl zu sich, um dann einfach schlicht auf dem Fliesenboden unseres Unterkunftshauses ein paar Stunden Schlaf zu finden, zumindest die jüngere Fraktion.
Überbordene Nachfrage: Noch mehr als im letzten Jahr kommenMenschen auch viele Kilometer angereist, um sich behandeln zu lassen. Die »Generalisten«, wie die Allgemeinmediziner auf Französisch heißen, arbeiten auf Hochtouren, von morgens bis abends .
»Alle die da sind, sollen gesehen werden«, ist die Einstellung von Roland, einem der kamerunischen Allgemeinmediziner, der ursprünglich aus dem Nachbardorf stammt und mit den Patienten auf Ihrer Muttersprache Makaa sprechen kann. Sein Anspruch ist sehr ambitioniert, aber sowohl menschlich berührend als auch in der Durchführung beeindruckend – Infektionen, Würmer, verschiedenste frauen- und kinderärztliche Erkrankungen standen auf dem Programm.
Materialmangel: Bei soviel Andrang, Tempo und unermüdlichem Einsatz braucht es nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, dass Material knapp wird: Einzelne Produkte werden in Apotheken in der nicht allzu weit entfernten Kleinstadt Nguelemendouka zusammengesucht, die Zahnarztschüler schrauben das Programm zurück, damit genug Ressourcen für die Chirurgen vorhanden sind. Alles in allem wurde alles dann schon irgendwie geschaukelt, wenn auch manchmal nervenzehrend.
Postoperative Verläufe: Hernien kann man in Lokalanästhesie operieren, aber der postoperative Schmerz ist zum Teil enorm. Die Operierten sind extrem leidensfähig und hart im Nehmen: Unter einigen schwer Schmerzgeplagten, die auch unter Kreislaufschwäche leiden, verteilen wir mangels Alternative erfolgreich Johannas Protein-Trinkpulver – es wird zum gefeierten Heiltrank der frisch Operierten.
Letztendlich läuft die postoperative Nachsorge, die nach Abreise der Chirurgen von Yvain und Sico, sowie zeitweise von einem zahnärztlich und chirurgischen Lehrer durchgeführt wird, ohne Zwischenfälle; abgesehen von einem kurzen Fieberschub, der sich nach Antibiotikaausweitung legt, und einem älteren Mann, dem es schon während der OP nicht gut ging – wir müssen ihn mit Wassereinlagerungen und Atemproblemen ins nächste größere Krankenhaus bringen lassen. Glücklicherweise erfahren wir einige Wochen später, dass er zufrieden und vom Ödem genesen entlassen werden konnte. Im Nachhinein stellt eine Lungenvernarbung als Ursache heraus.
Die Dorfbewohner möchten sich wie so oft gerne bedanken und bringen dem chirurgischen Team etwa ein Dutzend Hühner, staudenweise Kochbananen, Ananas und andere Feldfrüchte vorbei als Dank und zur Mitnahme in die Hauptstadt. Ein Teil wird doch dagelassen, aber alleine schon anstandshalber werden die Kostbarkeiten der hiesigen Erde dann doch zum Großteil mitgenommen.
Spezialfälle
Eines Morgens ist der Aufruhr groß in der Station, ein junger Mann wird von seinem Großvater gebracht und fällt, als sie an der Station ankommen, leblos vom Motorrad. Er wird vom medizinischen Personal in Empfang genommen. Reanimationsversuche bleiben erfolglos – die Todesursache bleibt unklar - er sei »einige Tage krank und seit gestern ein wenig seltsam gewesen«, habe wohl auch eine Art Krampfanfall gehabt. Der Großvater habe ihn gestern schon bringen wollen, aber niemanden zum Fahren gefunden… Die Situation bleibt unfassbar und tief schmerzhaft, die trauernden Angehörigen nehmen den Verstorbenen zwischen sich auf das Motorrad und fahren zurück in ihr Dorf. Eine große Schwere überfällt das Team und die Station. Solche Fälle sind leider einfach Realität in Kamerun. Unklare Erkrankungen, rasche Todesfälle.
Der sechsjährige Mesogo kommt mit seiner Familie. Seit er mit 1,5 Jahren Malaria gehabt habe, sei seine Entwicklung verzögert, da er aufgehört habe zu sprechen und wohl das Gehör verloren habe. Er wolle gerne wie sein Bruder in die Schule gehen. Eine Schule für Taubstumme erfordert in Kamerun den Umzug in die Hauptstadt, was die Familie im aktuellen Moment nicht leisten kann. In einer Bäckerei in in Jaunde lernen wir einige Tage später – rein zufällig – Aline kennen, eine begeisterte Journalistin, die ehrenamtlich in der Schule für Taubstumme in Jaunde Unterkunftsplätze organisiert. Wir bleiben in Kontakt und einige Wochen später ist ein Besuch der Eltern in der Hauptstadt geplant. Der Plan ist, dass Mesogo noch einen Sommer mit seinen Eltern auf dem Dorf bleibt; die Familie ist aktuell auch noch mit der Versorgung des anderen erkrankten Sohnes beschäftigt. Eine Patenschaft für das Schulgeld oder die Unterbringungskosten für Mesogo werden angedacht. Wir bleiben in Kontakt.
Leider gibt es auch Fälle, in denen Hilfe leider zu spät kommt und selbst in unseren europäischen Breiten nur die ganz frühe Erkennung geholfen hätte: Ein ca. neun Monate altes, quicklebendiges Kind wird von seinen Eltern gebracht mit massiver Gelbsucht und im Abtasten Verdacht auf Lebervergrösserung. Wir müssen weiterverweisen auf Spezialisten in der Hauptstadt. Die Familie kratzt etwas Geld zusammen, macht die Fahrt und es stellt sich schließlich eine inzwischen inoperable Gallengangatresie heraus. Das OP-Zeitfenster wären die ersten Lebenswochen gewesen. Ein pädiatrischer Kollege in Deutschland bestätigt leider nochmal die infauste Situation.
Mit der Ohnmacht klarkommen zu müssen ist ein allgemein ärztliches Thema, jedoch wird es hier in Kamerun nochmal um vieles deutlicher. Schlangenbisse, für die es einfach kein Antidot gibt, bleiben uns während des Einsatzes dankenswerter Weise erspart. Mitzubekommen, in welchen Extremsituationen unsere kamerunischen Kollegen zum Teil schon gearbeitet haben – Einsätze in den Kriegszonen im Norden, alleine eine Gesundheitsstation im Busch betreuen, wo weit und breit kein anderer Arzt ist – das verlangt uns ordentlich Respekt ab. »On doit faire ce qui est possible« – »wir müssen tun was möglich ist«, lautet die Devise.
Kontakte in Nguelemendouka
Nach Abreise der kamerunischen Kollegen bleiben wir zu dritt noch zwei Tage in Ademegola, um die Woche aufzuarbeiten. In diesem Zuge treffen wir uns mit Erik, dem Chefarzt der Klinik in Ngelemendouka, 20 km vom Dorf entfernt. Er hat uns bereits während der Kampagne ärztlich unterstützt und einen sehr kompetenten Eindruck hinterlassen. Er zeigt uns seine Klinik, die kurz vor dem Abschluss umfangreicher Renovierungsarbeiten steht. Er bestätigt unseren Eindruck, dass wir den Fokus v. a. auf den zahnmedizinischen Part der Gesundheitsstation legen sollten, da es hier wirklich in einem Radius von 50 km gar keine Versorgungsmöglichkeiten für die Bewohner gibt. Hier sind wir hoffentlich mit dem Stipendium für Borèce auf einem guten Weg. Er versichert uns außerdem, dass Yvain herzlich für Hospitationen in seiner Klinik zur Weiterbildung willkommen ist.
Zukunft von D&F in Kamerun
Dentists&Friends werden sich in Zukunft wohl weniger auf die Beteiligung bei medizinischen Kampagnen konzentrieren, sondern auf die Ausbildung des Stammpersonals. Hierfür werden dringend reiselustige, motivierte, erfahrene (Zahn-) Ärzte und (zahn-) medizinisches Fachpersonal gesucht. Das Stammpersonal soll in der Lage sein bzw. in die Lage versetzt werden, die Grundversorgung zu gewährleisten. Im Rahmen der von Codevia organisierten Kampagnen können für planbare Eingriffe Ärzte aus Jaunde anreisen.
- Diese Einsätze sollten nach der diesjährigen Erfahrung voneinander entkoppelt werden, da sich die verschiedenen Fachdisziplinen sonst die begrenzten Ressourcen streitig machen.
- Es muss mit ausreichend zeitlichem Abstand jemand nach Ademegola fahren, um sicherzustellen, dass alles funktioniert, bevor die gesamte Mannschaft anrückt und dann nicht arbeiten kann.
- Die Geräte und das Material müssen regelmäßiger gewartet werden. Hierfür braucht es klare Verantwortlichkeiten.
- Arbeitsabläufe sollen im Sinne von QM formalisiert werden. Dies hilft u. a. einer ressourcenschonenden und stimmigen Hygienekette.
- Geräte müssen mäusesicher untergebracht werden. Dort, wo das nicht möglich ist, braucht es Mausefallen.
- Es braucht insgesamt mehr Mobiliar, das der Verstauung und Ablage von Geräten, Instrumenten und Dokumenten dient.
- Yvain braucht eine Küche. Aktuell wird er von wechselnden Dorfbewohnern mit Essen versorgt, jedoch wünscht er sich hier etwas mehr Unabhängigkeit.
- Es wurde der Wunsch nach einem Motorrad geäußert, welches Yvain bspw. niederschwelliger ermöglichen würde, zu Hospitationen nach Ngelemendouka zu fahren.
- Es braucht eine stabile Internetverbindung für die Gesundheitsstation, damit Kommunikation und Weiterbildung für das Personal möglich ist.
- Die Diagnostikmöglichkeiten der Gesundheitsstation sollten um diverse Schnelltests erweitert werden.