Von: Kristin Rosenberg und Nadine Hundertmark
Zu Beginn des 9. Semesters kam uns die Idee, nach dem Studium vor Eintritt in die Arbeitswelt noch eine Auslandsfamulatur zu machen. Bei der Projektsuche stießen wir auf das oben genannte Projekt »Dentists für Bolivien« in Bolivien. Unsere Ansprechpartnerin war dabei Annette, die wir im November 2017 nach unserer letzten bestandenen Examensprüfung besuchten. Hierbei wurden alle Details besprochen und es musste (fast) nur noch der Flug gebucht werden. Die Organisation der Reise vor Ort erfolgt durch HI (Hostelling International): Unterkünfte und Fahrten zwischen den Städten, sowie Ansprechpartner vor Ort. Dies hat alles sehr zuverlässig funktioniert! Auch Material konnte günstig vor Ort besorgt werden, sodass wir uns im Vorfeld nicht um Spenden o.ä. kümmern mussten.
Wenn man unter 90 Tage in Bolivien bleibt, braucht man kein Visum, muss aber vor Ablauf von 30 Tagen seinen Stempel erneuern lassen. Eine Gelbfieberimpfung muss spätestens 10 Tage vor Einreise erfolgen.
Am 5.3.2018 ging es dann los: Wir flogen über London und Miami unser erstes Ziel Santa Cruz an. Hier waren wir sehr zentral in einem Hotel von HI untergebracht. Das Projekt selbst liegt weiter außerhalb. Jeden morgen wurden wir um 8:30 angeholt und erreichten unser Behandlungszimmer gegen 9 Uhr. Das Behandlungszimmer befindet sich im Gebäude der »Plataforma solidaria«, einer Art Jugendzentrum. Hier wurden die Tage vorher eifrig Werbung für uns gemacht und so hatten wir auch genügend zu tun. Als Patienten kamen viele Kinder, oft auch mit der ganzen Familie im Schlepptau. Die Einheit selbst hat mal mehr und mal weniger gut funktioniert, zum Großteil aber ihren Zweck erfüllt. Der Sauger ist sehr schwach und die Turbine und das Winkelstück können auch mal ein bisschen »zicken«. An Behandlungen führten wir viele Füllungen, Extraktionen, Zahnreinigungen und Fluoridierungen durch. Die Gebisszustände der Patienten stellten für uns oft eine Herausforderung dar und leider hatten wir für »Gesamtsanierungen« häufig nicht ausreichend Zeit. V.a. die Kinder sind meist super begeistert vom Zahnarztstuhl und mussten zum Teil sogar aus dem Behandlungszimmer getragen werden. Da es bei uns anfangs mit dem Spanisch noch nicht so gut klappte, waren wir sehr froh, dass noch drei Voluntarios aus Deutschland auf der Plataforma waren. Carla, Hanna und Vincent halfen uns viel bei der Verständigung, wenn Patienten ein größeres Anliegen als eine Füllung oder Extraktion hatten. Mittags aßen wir zusammen mit den Kindern das »Almuerzo«, bestehend aus Suppe, meist irgendein Fleischgericht mit Reis und Kartoffeln und viel Süßkram. Die Einheimischen waren alle sehr herzlich und freuten sich über unsere Anwesenheit.
Nach 10 Tagen ging es für uns weiter La Paz, wo wir uns mit Annette trafen. Leider war es uns nicht möglich wie geplant auf die Isla weiterzureisen, da der Teil mit der Zahnstation aufgrund eines Konfliktes gesperrt war. In La Paz gab es aber die Möglichkeit für ein Ersatzprojekt in El Alto. Im Krankenhaus »Boliviano Japonese« durften wir zwei Wochen mit Dr. Alberto arbeiten. Dr. Alberto ist für die Jugendlichen bis 24 Jahre verantwortlich. Da wir uns in einem Krankenhaus befanden, dachten wir eigentlich, dass die Einheit ja deutlich besser funktionieren müsste, als die in Santa Cruz (endlich ein funktionierender Sauger!). Da hatten wir uns aber deutlich geirrt. Der Sauger ging hier auch nicht – dies wurde aber auch durch die fehlende Wasserkühlung wieder »relativiert«. Ein Röntgengerät gab es auch nicht. Wenn ein Bild erforderlich wurde, mussten die Patienten zu einem anderen Arzt überwiesen werden und dort das Röntgenbild natürlich auch bezahlen. Leider gab es insgesamt hier nur wenig für uns zu tun und die Anfahrt von La Paz nach El Alto dauerte ca. 1 Stunde. Gewohnt haben wir hier im HI-Hostel Onkel Inn. Dieses war wirklich gut ausgestattet, es gab eine Gemeinschaftsküche, in der man mittags und abends kochen konnte. Morgens gab es ein Frühstück bestehend aus Cornflakes, Papaya, Banane, Spiegelei, Brötchen und Marmelade. Alles in Einem zufriedenstellend.
Unsere 3. Station war dann Sucre. Hier waren wir zusammen mit anderen deutschen Voluntarios in einem Haus von HI untergebracht und hatten ebenfalls eine Gemeinschaftsküche zu Verfügung. Dr. Fernando stellte tagsüber seine Praxis zur Verfügung und es gab eine Kampagne, bei der die Patienten zwar nicht wie in Santa Cruz umsonst behandelt wurden, aber sehr günstige Preise für Füllungen und Extraktionen bekamen. Aufgrund der Spontanität unseres Aufenthalts in Sucre konnte hier nicht genug Werbung gemacht werden und wir hatten leider nicht sehr viel zu tun. Theoretisch hätte man bei Fernando auch Wurzelkanalbehandlungen machen können, in der Kampagne waren aber nur Extraktionen und Füllungen vorgesehen. An unseren freien Wochenenden nutzten wir die Zeit, um ein bisschen was von Bolivien zu sehen (Yungas, Death Road, Isla del Sol, Copacabana…). Hier konnten uns auch oft unsere Ansprechpartner von HI tolle Wochenendausflüge organisieren. Nach Famulaturende stand natürlich auch die Salz- und Silbertour auf dem Plan – das absolute Highlight von Bolivien.
Insgesamt hat uns der Aufenthalt viel Spaß gemacht. Mit eine der größten Herausforderungen war es, mit den dortigen Einheiten/ Geräten /Möglichkeiten die Patienten anständig zu versorgen und selbstständig zu entscheiden, welche Zähne Priorität haben. Sehr gute Spanischkenntnisse sollten vorhanden sein, da die Menschen z.T. wirklich kein Wort Englisch sprechen und auch gerne Laute verschlucken.
Bolivien ist das ärmste Land Südamerikas und für uns Europäer vergleichsweise sehr günstig. Bei uns ging das meiste Geld für unsere Ausflüge / Touren drauf. Uns wurde gesagt, man solle nicht den günstigsten Anbieter auswählen, da bei denen oft an Sicherheit gespart wird.
Die Mentalität der Bolivianer ist eine ganze andere als bei uns in Deutschland. Stress gibt es da nicht. Wenn man zu spät kommt, dann liegt es halt am Verkehr oder so. Auf die Zähne wird nur wenig geachtet, da die Menschen eher andere Sorgen haben und sich meist eine Behandlung nicht leisten können. Dementsprechend ist der Gebisszustand. Ein Beispiel war eine 17-jährige Patientin, die zum ersten Mal zum Zahnarzt gekommen war. Sie hatte kaum unbeschadete Zähne, viele Wurzelreste, große Karies an allen Molaren, sofern sie noch da waren. Sogar die OK-Front war teilweise weggegammelt. Die Eltern kaufen den Kindern viele Süßigkeiten, da sie denken, so gut für die Kinder zu sorgen, sie glücklich zu machen. Das heißt, die Kinder, aber auch Erwachsene, essen pausenlos Süßkram ohne sich die Zähne zu putzen.
Wir würden auf jeden Fall wieder nach Bolivien reisen, denn das Land hat wirklich viel zu bieten! Mit mehr Zeit und Geld wäre es natürlich auch interessant gewesen, andere Länder Südamerikas zu erkunden.