Einsatzbericht Bolivien 2019

Zahnstation Isla del Sol

Im Februar 2018, etwa ein Jahr vor Beginn unserer Abreise in Deutschland, entschlossen wir, Laura Haas und Sophie Appel, Studentinnen aus Jena, uns dazu eine Auslandsfamulatur zu absolvieren. Über die Seite des ZAD wurden wir auf das Projekt »Dentists für Bolivien« von Dr. Annette SchoofHosemann aufmerksam, bei dem wir uns direkt bewarben. Annette, die wir direkt »duzen« durften, antwortete uns recht schnell aus Bolivien und lud uns nach einigen E-Mails zu sich nach Baden-Baden ein, um sich kennen zu lernen und uns das Projekt vorzustellen. Die herzliche Art von Annette und die gute Organisation vom Projekt überzeugte uns schnell und führten zu einer definitiven Zusage unsererseits. Kurze Zeit später erstellten wir einen Reiseplan und buchten die Flüge.

Nach drei klinischen Semestern (Ende des 9. Semesters) standen wir aufgeregt im Februar 2019 in Frankfurt am Flughafen auf dem Weg nach Lima. Da uns aufgrund des Karnevals in Bolivien abgeraten wurde direkt zu arbeiten, machten wir zuerst eine kleine Reise durch Peru und besuchten wie viele Teams zuvor den Salar de Uyuni in Bolivien. Mit der steigenden Höhe hatten wir trotz vieler Bedenken kein Problem.

Unser Reiseteil endete in La Paz, wo wir Annette und Jana im Onkel Inn, einem sehr schönen Hostel im Zentrum der Stadt, trafen. Jana Hamann, eine frisch examinierte Zahnärztin aus Frankfurt, hatte sich spontan unserem Team angeschlossen. Zusammen mit Viktor und seiner Frau kauften wir alle nötigen Materialien für das Behandeln in der Praxis auf der Isla del Sol ein. Anders als in Deutschland wurden die meisten Verbrauchsmaterialien auf einer Art Markt gekauft. Handeln war also üblich. Lediglich Ultracain hatten wir in Deutschland besorgt und mitgebracht, da vor Ort nur Lidocain gekauft werden kann. Der restliche Fachbedarf wurde in Dentaldepots und Apotheke besorgt.

Mit 450 Zahnbürsten und -pasten, allen anderen Materialien und zwei neuen Stühlen starteten wir den Weg zur Insel. Mit Bus, Auto und Schiff kamen wir nachmittags am Strand der Isla del Sol an. Dort waren wir mit Blick auf den Titicacasee im Hostal von Nelson untergebracht, wo wir von ihm und seiner Mutter Juana verpflegt wurden. Wir wurden dreimal am Tag im »Comidor« mit leckerem Essen und Getränken versorgt. Die Unterkunft war sehr einfach gehalten, trotzdem war es möglich jeden Tag zu duschen und uns in den Pausen in Liegestühlen zu sonnen. Schnell lernte man sich durch kurze Strom- oder Wasserausfälle nicht aus der Ruhe bringen zu lassen.

Unsere eigentliche Arbeit begann in der benachbarten Schule, wo wir jedem Kind Zahnbürste und -pasta schenkten und mit den jüngeren Schülern das Putzen übten. Nach einem kleinen Vortrag von Annette und Nelson führten wir die Kinder in Kleingruppen auf den Schulhof an die Wasserstelle. Dort stellten wir fest, dass das Benutzen einer Zahnbürste für sie nichts Alltägliches ist. Bereits das Halten einer Zahnbürste stellte für viele Schüler eine Schwierigkeit dar. Beim anschließenden Fluoridieren der Zähne und Blick in die Münder bestätigte sich die mangelnde Mundhygiene. Es war erschreckend, wie viele stark zerstörte Zähne wir in kürzester Zeit sahen.

Nach zwei Vormittagen in der Schule begann das Behandeln in der Praxis, die 20 Gehminuten entfernt vom Hostal liegt. Täglich bestritten wir zweimal den steilen Anstieg zur Praxis, bei dem die knapp 4000m ü.NN doch merklich wurden. Wir arbeiteten immer von 9 bis 12 Uhr und 15 bis 18 Uhr. Nach ein paar technischen Schwierigkeiten und anfangs sehr wenigen Patienten, gab es am Ende der Woche viel zu tun und wir hatten die anfänglichen Probleme vergessen. Beim Behandeln mussten wir uns schnell darauf einstellen, dass Entscheidungen anders als in Deutschland getroffen werden. Endodontische sowie Parodontologische Therapien sind nicht möglich, da sowohl Ausstattung als auch Compliance der Patienten fehlt. Wir beschränkten uns auf Extraktionen, Füllungstherapie und Prodfpe, was die Patienten dankend annahmen. Vor allem beim Extrahieren lernten wir schnell eine Menge dazu, da das im Unialltag etwas zu kurz kommt. Annette stand uns stets mit hilfreichen Tipps zur Seite, aber hielt sich sehr im Hintergrund, damit wir eigene Erfahrung sammeln konnten.

Nach den zwei Wochen Behandlung auf der Insel, können wir auf ein hohes Arbeitspensum mit vielen zufrieden versorgten Patienten zurückschauen. Auch am Wochenende wussten wir uns die Zeit zu vertreiben mit einem Ausflug nach Yumani, einem kleinen touristischen Ort auf der Insel, und einer Wanderung entlang des Inkapfads. Dabei wurden wir stets von bestem Wetter begleitet, was bei der Höhe einen Sonnenschutzfaktor von 50+ notwendig machte. Eins unserer Highlights in Yumani war das kostenlose WLAN. Außerdem gab es leckeres Essen und einen wunderschönen Ausblick auf den Titicacasee bis nach Peru.

Am Ende der zweiten Woche verließen wir die ruhige Atmosphäre der Insel und kehrten zurück nach La Paz. Von dort aus ging es mit dem Flugzeug weiter ins tropische Santa Cruz. Empfangen wurden wir von heißen Temperaturen und hoher Luftfeuchtigkeit. In Santa Cruz wohnten wir im Hotel Copacabana in der Nähe des Plaza Central.

Am ersten Tag lernten wir direkt Nacira kennen, die unseren Aufenthalt und das Behandeln in der Plataforma Solidaria organisierte und mit uns zusammen alle notwendigen Materialien im Dentaldepot einkaufte. Die Plataforma Solidaria ist eine Einrichtung für Kinder und Jugendliche, die ihnen täglich eine warme Mahlzeit ermöglicht und sowohl Hausaufgabenbetreuung als auch sportliche Aktivitäten anbietet. Dieses Mal gab es zusätzlich zur Plataforma auch die Möglichkeit zwei Tage in einem Zentrum für Kinder und Jugendliche mit Down-Syndrom zu behandeln, weshalb sich unser Team anfangs aufteilte. Das Behandeln von Patienten mit Behinderung war eine neue Erfahrung für uns, da diese Patienten nur sehr wenig von dem verstehen, was während der Behandlung mit Ihnen gemacht wird. Trotzdem waren wir sehr positiv überrascht, wie gut die Gebisse einiger Patienten waren.

Auch in der Plataforma hatten wir anfangs mit technischen Schwierigkeiten zu kämpfen. Nachdem wir am dritten Tag wieder vereint waren, funktionierte die Einheit jedoch weitestgehend. Mit Plakaten machten wir auf die geöffnete Praxis aufmerksam, was zu einem Patientenansturm führte, den wir kaum bewältigen konnten. Im Gegensatz zur Insel wurde hier auf engstem Raum, bei hoher Temperatur und extremer Lautstärke behandelt. Durch gute Organisation und Terminvergabe, gelang es uns möglichst viele Patienten zu versorgen und noch mehr Patienten zu behandeln als auf der Insel. Täglich arbeiteten wir von 9 bis 17 Uhr mit einer kleinen Pause, wo wir zusammen mit den Kindern aßen.

Zum Ausgleich der anstrengenden Behandlungstage besuchten wir am Wochenende den Naturpark Lomas de Arena und den Wasserpark Güembe.

Nach mehr als 100 Extraktionen, 60 Füllungen und zahlreichen Zahnreinigungen und Fluoridierungen, sitzen wir im Flugzeug auf dem Weg nach Frankfurt. Wir blicken zurück auf sechs wunderschöne Wochen in Peru und Bolivien und sind überwältigt von der Erfahrung, die wir sammeln konnten. Durch den engen Kontakt mit der einheimischen Bevölkerung konnten wir deren Kultur sehr gut kennenlernen und auch unseren persönlichen Horizont erweitern. Auch in Hinblick auf die Zahngesundheit haben wir zahlreiche praktische Fähigkeiten erworben und einen neuen Blickwinkel kennengelernt, was wir erhoffen auch im baldigen Staatsexamen anwenden zu können. Das Gesundheitsbewusstsein, vor allem mit Fokus auf ihre Zähne, ist in der dritten Welt doch ein ganz anderes als in Deutschland.

Zu guter Letzt geht ein großes Dankeschön an Annette, die das Projekt ins Leben gerufen hat, uns immer mit Rat und Tat zur Seite stand und sich vor Ort um alle Probleme gekümmert hat. Außerdem wollen wir Max Steiner von Hostelling International danken, der die komplette Reise samt Unterkunft und Transport organisiert hat und den wir leider nicht kennenlernen konnten. Auch geht unser Dank an alle Ansprechpartner vor Ort: Viktor und seine Frau in La Paz, Nelson und Juana auf der Isla del Sol und Nacira und ihren Mann Rudy in Santa Cruz. Ein letztes Dankeschön richten wir an den DAAD, der uns finanziell bei unserer Famulatur unterstützt hat.

Spenden

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