Ein Famulaturbericht von Katharina, Nicolaus & Svenja
Nachdem unsere geplante Famulatur im Sommer 2020 aufgrund von Corona abgesagt wurde, stand für uns relativ schnell fest, dass wir gerne an einem Einsatz nach unserem Staatsexamen teilnehmen würden. Zahlreiche E-Mails und Absagen später kam Anfang Oktober eine E-Mail von Annette. Ein Einsatz in Bolivien sei denkbar, da aufgrund einer Änderung der Einreisebestimmungen nun keine Quarantäne mehr nötig ist. Allerdings sei nicht vorhersagbar, wie es vor Ort aussehen würde, da seit fast 2 Jahren niemand aus Deutschland mehr dort war. All das schreckte uns jedoch nicht ab, vielmehr überwog die Freude, dass ein Einsatz möglich ist.
Wir stürzten uns also zwischen den letzten Examensprüfungen in die Vorbereitungen und Annette klärte fleißig mit Hostelling International vor Ort alles ab. So wurde viel Werbung gemacht, damit wir genug Patienten haben und die Plataforma stellte sich darauf ein, dass wir nun bald zum Behandeln vor Ort sein würden.
Als die Corona Fallzahlen in Deutschland und Bolivien nach den Weihnachtstagen immer rasanter anstiegen, begannen wir zwischenzeitlich zu zittern, ob wirklich alles wie geplant stattfinden könnte. Aus Bolivien kam die Info von Max, dass trotz allem die Einreise mit den erforderlichen Dokumenten ohne Probleme möglich sei, und so ging es am 14.01. mit negativem PCR Test im Gepäck von Hamburg über Madrid nach Santa Cruz. 24 Stunden später und nach erfolgreicher Kontrolle wurden wir am Flughafen wie verabredet abgeholt.
Angekommen an der Unterkunft wurden wir mit Frühstück empfangen. Die Unterkunft von Hostelling International wurde gerade erst neu gebaut und fertiggestellt. Wir konnten also unsere Privatzimmer mit Klimaanlage, Wlan und allem was man sich sonst so wünscht, beziehen. Außerdem gibt es eine große Gemeinschaftsküche sowie eine riesige Dachterrasse mit Ausblick, auf der wir noch so einige Abende verbringen würden.
Gegen Mittag wurden wir von Nacira abgeholt, die uns die Plataforma zeigte und mit uns alle nötigen Einkäufe machte. Da wir mit einigen Spenden ankamen, waren wir letztendlich gut ausgestattet, um mit den Gegebenheiten vor Ort bestmöglich behandeln zu können. Ein besonderer Dank geht hier an Voco, Kulzer, Frasaco, Zahnimarkt, Ivoclar, Komet, Meisinger, HuFridey, Bausch,, Hahnenkratt, Tukuyama, Deppeler und viele mehr für die zahlreichen Spenden.
Den Sonntag verbrachten wir dann gemeinsam mit Max, der uns einiges über Bolivien, Hostelling International, Lentes al instante und das Leben in Bolivien erzählte, während wir heraus aus der Stadt in ein kleines Resort zum Essen fuhren. Generell wurden wir sehr herzlich empfangen und umsorgt, sodass wir uns von Beginn an sehr wohl gefühlt haben.
Am Montag trafen wir dann die letzten Vorbereitungen in der Plataforma, um mit der Behandlung am Dienstag starten zu können. Ob wir überhaupt Patienten haben würden und ob wir mit unseren, doch gerade mal grundlegenden, Spanischkenntnissen zurecht kommen würden, wussten wir zu dem Zeitpunkt noch nicht.
Dienstagmorgen ging es dann um 8:30 los, um 9 Uhr sollte die Behandlung starten. Angekommen in der Plataforma dachten wir zuerst, dass wahrscheinlich, wenn überhaupt, nur wenige Patienten kommen würden. Gegen 9:15 erwies sich dies als vollkommen falsch.
Wir konnten während der gesamten 3 Wochen bei weitem nicht alle Patienten behandeln, die gerne dran gekommen wären. Schnell wurde es zur Gewohnheit, dass die Patienten morgens schon sehr früh kamen um zu warten, damit sie an diesem Tag eine Behandlung bekamen. Teilweise waren sehr umfangreiche Behandlungen nötig, sodass wir an manchen Tagen doch einige Leute auf die nächsten Behandlungstage vertrösten mussten.
Da wir alle 3 die gleiche Qualifikation hatten, behandelten wir rotierend. Einer nahm draußen die Patienten auf, schaute schon mal in den Mund um den Umfang abschätzen zu können. Die anderen Beiden behandelten bzw assistierten drinnen. Durch die Klimaanlage konnten wir, trotz der Temperaturen in Santa Cruz, ganz angenehm behandeln.
Schnell merkten wir, dass der Stuhl so seine Eigenheiten hatte. Mal ging der Sauger nicht, mal explodierte die Wasserkühlung schwallartig, oder aber sie ging gar nicht. Weder Höhe noch Lehnenposition waren zu verstellen, sodass wir auch dabei improvisieren mussten.
Wir konnten Füllungen unter relativer Trockenlegung legen(wenn der Sauger gerade gute Laune hatte), Zahnstein entfernen, Flouridieren, Zähne extrahieren. Exkaviert haben wir ausschließlich per Hand, da das grüne Winkelstück so seine Eigenheiten hatte. Immer wieder schockiert hat uns doch der, teilweise sehr schlechte, Zustand der Milchzähne, bleibenden 6er und zum Teil auch der bleibenden Frontzähne. Viele Milchzähne mussten wir aufgrund der starken Zerstörung entfernen ( insofern die Kinder mitgemacht haben). Auch die 6er waren oft so zerstört, dass nur noch die Extraktion möglich war. Wenn eine Endo und ein Aufbau theoretisch noch möglich gewesen wäre, entschieden sich jedoch trotzdem viele für die Extraktion, da kein Geld für die Behandlung bei einem ortsständigen Zahnarzt vorhanden war.
In den Wochen in Santa Cruz haben wir ca 160 Patienten behandelt. Während der ganzen Zeit wurden wir von Betty ( Hausmeisterin) und Freddy ( Arzt, Mutter arbeitet in der Plataforma) während der Behandlungen tatkräftig mit Übersetzen unterstützt, sodass wir trotz unserer geringen Kenntnisse gut zurecht gekommen sind. Außerdem haben wir eine zweite Möglichkeit bzw. einen zweiten Stuhl auf der anderen Seite von Santa Cruz angeschaut und beurteilt. Ggfs. sollen hier in Zukunft auch Einsätze stattfinden.
Danach ging es für uns weiter Über einen Wochenendzwischenstopp in Sucre, zur Höhenakklimatisation, bis nach La Paz. Von hier aus sollten wir nochmals 2 Konsultarien besichtigen.
In La Paz wurden wir sehr nett von Victor empfangen, der uns während einer privaten Stadttour einiges von der Stadt zeigte. Zudem kamen wir in seiner Freiwilligenunterkunft unter, bis es weiter gehen sollte.
Zunächst ging es über Copacabana auf die Isla del Sol im Titicacasee. Da wir nicht wussten, wie der Zustand nach 2 Jahren ohne Einsätze und ohne Touristen sein würde, sollten wir hier sowohl das Hostel, als auch den Behandlungsraum für nachfolgende Teams bewerten. Ehrlich gesagt waren wir, im Vorfeld durch Annette gewarnt, auf relativ schlechte Bedingungen eingestellt. Umso mehr waren wir von der Realität überrascht. Das Hostel war zwar einfach, aber in gutem Zustand. Wir wurden von Nelson vor Ort sehr gut bewirtet.
Auch der Behandlungsraum war eine Überraschung. Schön oben auf einem Hügel gelegen, fanden wir Alles zwar etwas dreckig, aber komplett funktionsfähig vor. Challa ist ein sehr idyllischer Ort und sicher eine tolle Erfahrung um auch dort zu behandeln!
Zurück in La Paz besichtigen wir noch das letzte potentielle Projekt. Der Behandlungsraum lag in einer kleinen Klinik, angebunden an einen Kindergarten und ein Jugendzentrum. Die Klinik stand leider seit Beginn der Corona Pandemie komplett leer. Aber auch hier war der Stuhl voll funktionsfähig und außer dem Verbrauchsmaterial alles vorhanden. Ggfs. können also auch hier in Zukunft Einsätze stattfinden.
Insgesamt haben wir in den 5 Wochen Bolivien einiges erlebt. Die Wochenenden haben wir für Ausflüge genutzt und durch die verschiedenen Einsatzorte konnten wir die unterschiedlichen Seiten und Menschen des Landes gut kennen lernen. Wir würden wirklich jedem empfehlen an so einem Einsatz teilzunehmen. Man tut nicht nur etwas Gutes vor Ort, sondern lernt auch unter sehr einfachen Bedingungen trotzdem noch funktionelle und qualitativ gute Zahnmedizin anzuwenden. Auch weiß man danach nochmal viel mehr zu schätzen, wie gut die Ausstattung und medizinische Versorgung in Deutschland ist.
Ob als Studierender, frisch Approbiert oder mit einigen Jahren Berufserfahrung, wir sind uns sicher, dass jeder bei einem solchen Einsatz noch neue Dinge lernen wird. Also, auf geht es in das nächste Flugzeug nach Bolivien!
Katharina, Nicolaus & Svenja