Einsatzbericht Haiti 2016

Schule - Bon Berger

Unser dritter Einsatz in Port Salut an der Südwestküste Haitis schien schon Routine zu werden. Alles war perfekt vorbereitet, auch von unserer Partnerorganisation, und klappte ohne Zwischenfälle: Der Transfer dieses Mal sehr komfortabel in einem Kleinbus, die Unterkunft gut ausgestattet und liebevoll vorbereitet. Niemand musste mehr auf der Luftmatratze nächtigen. Mami Nanotte, die Gründerin und Förderin der Schule, in der wir immer praktizieren, kochte wieder exzellent für uns, und wir waren guter Dinge. Dass es nur sehr selten fließendes Wasser und, wenn überhaupt, nur abends Strom gibt, hat die Regierung bis heute nicht geändert.

Mami Nanotte, Schulgründerin und unsere Gastgeberin
Mami Nanotte, Schulgründerin und unsere Gastgeberin

Nur wenige Behandlungstage

Nachdem wir unser Praxiszimmer in der Schule eingerichtet hatten, behandelten wir zunächst die Schulkinder und legten hier vorwiegend Füllungen. Das änderte sich, als die Erwachsenen kamen und wir hauptsächlich Zähne ziehen mussten. Wie auch in den anderen Jahren unterstütze uns Vava, ein junger haitianischer Kollege für einige Tage. Er hatte für diese Zeit extra seine Praxis, die er seit kurzem in Port au Prince betreibt, geschlossen. Zusätzlich halfen uns diesmal noch drei junge, frisch gebackene einheimische Kolleginnen, die froh waren, noch etwas Erfahrung unter Anleitung sammeln zu können, bevor sie, auf sich selbst gestellt, ihr praktisches Jahr auf dem Land absolvieren. Wir arbeiteten sehr harmonisch miteinander und lachten viel zusammen.

Wir richten unsere Praxis ein
Wir richten unsere Praxis ein

Die Menschen kannten uns schon und begrüßten uns immer herzlich, wenn wir auf dem Weg zur Schule waren. Der Himmel war strahlend blau, das Meer spiegelglatt. Alles war so friedlich.

Hurrikan Mathew

Als sich das Wetter änderte, erreichte uns auch die Hurrikanwarnung. Matthew sollte schon am Sonntag den Südwesten Haitis erreichen. Zum Wegfahren war es zu spät. Wir wären auf der Straße viel größerer Gefahr ausgesetzt gewesen. Unser Haus war stabil, vorwiegend mit Betondach versehen und hatte nur wenige Fensterscheiben. Als die vom Sturm ins Bad gedrückt wurden, war Gott sei Dank, gerade niemand dort.

In der Nacht vom 3. zum 4.10.erreichte Matthew Port Salut. Wir verließen den ersten Stock und verbrachten den Rest der Nacht in der großen Küche im Erdgeschoss. Unterdessen peitschte oben der Extremregen durch die Fenster, und der Teil des Hauses, der mit einem Blechdach versehen war, wurde abgedeckt. Alles stand unter Wasser. Immer mehr Nachbarn, deren Häuser zerstört wurden, suchten bei Mami Nanotte Zuflucht. Sie kamen völlig durchnässt mit kleinen Kindern und alten Frauen. Zum Glück hatten wir noch einen Satz der von Werder gespendete Fußballtrikots im Haus, die wir noch nicht bei der Schulmannschaft abgegeben hatten, und konnten sie verteilen. Von da an kamen die Nachbarn bei Einbruch der Dunkelheit, um Laken auf dem Steinfußboden in der Küche auszubreiten und dort zu schlafen.

Als es hell wurde und wir aus dem Fenster schauten, konnten wir die Schäden nur erahnen. Der Sturm und die sintflutartigen Regenfälle hielten noch den ganzen Tag an. Die meterhohen Wellen wurden glücklicherweise von der kleinen Steilküste gebremst. Andererseits strömten riesige Wassermengen vom Landesinneren ins Meer. Zwei Kinder aus der Nachbarschaft wurden mitgerissen. Der Mann unseres Hausmädchens wurde von einem Baum erschlagen. Die Menschen sammelten, was noch irgendwie zu gebrauchen war: Wellblechteile, Holz, Steine, einen Stuhl, eine Schublade. Die Ernte der nächsten Jahre ist vollkommen zerstört. Die unzähligen Kokosnüsse, die auf der Straße lagen, waren alle bereits eröffnet, um Durst und Hunger zu stillen. Auch unser Behandlungszimmer war abgedeckt worden und stand unter Wasser. Alles war von den Tischen gefegt worden, die Materialien nicht mehr zu gebrauchen.

Am zweiten Tag stand zu unserer großen Erleichterung unerwartet Vava vor unserer Tür. Nachdem er keinerlei Kontakt hatte herstellen können, hatte er sich von Port au Prince, das weitgehend unversehrt geblieben war, durchgeschlagen und kam lange vor den ersten Räumfahrzeugen in Port Salut an. Die letzten vierzig Kilometer hatte er zu Fuß und kurze Abschnitte mit dem Mopedtaxi zurückgelegt. Seine sieben Geschwister und seine Eltern leben in Port Salut und sind alle obdachlos geworden.

Mit seiner Hilfe konnten wir einige Tage später in einer abenteuerlichen Fahrt in die Hauptstadt zurückkehren und dort in sicherer Unterkunft auf unseren Rückflug warten. Was für ein Privileg!

Wir wollen alles versuchen, um die Menschen dort beim Wiederaufbau ihrer Häuser und ihrer Existenz zu unterstützen.

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