Endlich war ich in diesem März wieder in meinem » Bolivia«.
2020 war ich das letzte Mal dort gewesen, jäh ausgebremst durch Corona und die dortige Schließung aller bolivianischen Flughäfen.
Wir mussten damals im März 2020 unseren Einsatz nach zwei Wochen erfolgreicher Behandlung im Kinderheim- der Plataforma Solidaria- in Santa Cruz abrupt abbrechen und mit bangem Herzen auf die Rückholaktion des deutschen Auswärtigen Amtes entgegenfiebern.
2021 fiel jede Möglichkeit sich hilfreich in Bolivien einzusetzen, dank Corona komplett aus.
2022 entsandte ich, trotz unterschiedlicher und strenger Corona- Pandemie- auflagen sieben unerschrockene Teams in unsere Einsatzorte. Insgesamt 22 junge Zahnmediziner halfen im vorigen Jahr erfolgreich dem Elend an Zahnschmerzen mit eventuell notwenigen Zahnextraktionen entgegenzuwirken.
Bei all diesen Auflagen, Beschränkungen und meiner unterschwelligen Angst, dass ich wieder in Bolivien » hängen« bleiben und eventuell selbst an Corona erkranken könnte, wollte ich mich 2022 nicht wieder auf eine so weite Reise begeben.
Also startete ich erst am 1. März 2023 und schloss mich dem von mir organisiertem Team 2 kurzfristig an.
Dieses Team 2 bestand aus zwei Studentinnen der klinischen Semester aus Tübingen und zwei frisch examinierten Zahnmedizinerinnen aus Göttingen.
Wir wurden ein gutes Team, zumal ich beschlossen hatte, mich zahnmedizinisch nur noch im äußersten Notfall einzubringen. Ich hatte nach den fast drei Jahre Abstinenz von meinen Einsatzorten genug mit Organisation und Planung für zukünftige Einsätze zu tun.
So schaute ich als „ anciana“ wohlwollend dem beschäftigten Behandeln der Crew zu und stand jederzeit für die jungen Zahnmediziner mit Rat und Tat zu ihrer Seite.
Im Januar war bereits ein erstes junges Team im Einsatz gewesen. Während diese bei größtem Patientenansturm in Santa Cruz etliche Wartende unverrichteter Dinge wieder nach Hause schicken mussten, weil sie den Andrang der Behandlungsbedürftigen nicht bewältigen konnten, war bei uns seltsamerweise etwas » Flaute« an Behandlungswilligen.
Wir schlugen die Buschtrommel, aber die Patientenzahlen blieben angenehm überschaubar.
Für meine Jung- Zahnmediziner war das von Vorteil, konnten sie doch hier ohne Stress geruhsam ihre Behandlungen durchziehen.
Dennoch zählten sie stolz nach 2 Wochen Einsatz im Kinderhort in Santa Cruz , dass insgesamt 120 Patienten erfolgreich versorgt worden waren. Und gleich am ersten Tag hatten sie sogar eine plastische Deckung der Kieferhöhle mit Bravour durchgeführt.
Unsere Behandlungen sind, dank großzügiger Spenden von Firmen, gespendeten Geldern von Freunden, gemeinnützigen Vereinen und von meiner ehemaligen Arbeitsstelle/ Berufsschule Rastatt, stets für alle Patienten umsonst.
Die kostenlose Behandlung wird in Bolivien gerne angenommen, sind die Patienten dort so gut wie nie krankenversichert. Sie müssen jede Behandlung selbst bezahlen und eine Zahnextraktion kostet für sie ein gefühltes »Vermögen«. Da leidet man lieber qualvoll und wartet hoffnungsvoll, ob sich nicht von allein ein rasches Ende der Zahnschmerzen einstellt.
Nach dem 14- tägigem Einsatz in der heißen und tropischen Millionenmetropole Santa Cruz ging es hinauf ins Alti Plano. Hier in einer Höhe von 4000m war es alles andere als heiß und dicke Pullover, Schal und Handschuhe mussten hervorgeholt werden. Heizungen gibt es in den kargen Behausungen nicht und so sehnten wir uns hin und wieder nach er großen Hitze in Santa Cruz zurück.
Vor der Überfahrt zur Sonneninsel im Titicacasee (3800 m ) leisteten wir uns eine kurze 3-tägige gut organisierte Rundtour
(900 km mit einem Fahrer im SUV durch die Salzwüste) über den berühmten Salar Uyuni. Ein einmaliges und unvergessliches Abenteuer.
Mit dem Nachtbus, nach vielen Straßensperrungen durch Protestmärsche (bloqueos, leider allzu üblich in Bolivien) und somit mit stundenlangen Staus, in La Paz angekommen, kauften wir für unseren Einsatzort Challa auf der Isla del Sol alle notwenigen Verbrauchsmaterialien ein (Handschuhe, Masken, Desinfektionslösungen). Auf der Insel selbst gibt es keine Möglichkeit irgendetwas einzukaufen.
Zu Beginn unserer Behandlungseinsatzes auf der Insel, in der luftigen Höhe von fast 4000m, statteten wir der benachbarten Schule in Challa einen Besuch ab.
17 Klassen wurden in zwei Tagen über Mundhygiene, Zahnprodfpe und Behandlungsmöglichkeiten unterrichtet.
Mit der Unterstufe wurde draußen am Wasserhahn des Schulhofes das Zähneputzen geübt und jeder Schüler bekam eine Zahnbürste und Zahnpasta überreicht.
Einige ältere Schüler stellten freudig fest, dass sie mich schon von früher von diesen Aufklärungsaktionen her kannten. Immerhin war ich nun bereits zum 11.Mal auf der Sonneninsel.
Haben die wiederholten, fast jährlichen Hygiene-Maßnahmen einen Erfolg gezeigt?
Meine jungen Zahnmediziner schrieben:
Wir kamen ehrlich gesagt mit schlimmen Erwartungen, was den Mundhygienezustand betrifft, nach Challa. Allerdings wurden wir positiv überrascht. Der Zustand ist sogar besser als in Santa Cruz und jahrelange Arbeit und Aufklärung der letzten Gruppen haben offensichtlich Wirkung gezeigt
In Challa war genug zu tun und in den 9 Tagen an denen behandelt wurde, konnten hier 84 Patienten versorgt werden.
Nach viereinhalb Wochen trennte ich mich wieder von meiner Crew, die zum Teil noch Ferien in Lateinamerika anberaumt hatte.
Ich aber kehrte zufrieden nach Santa Cruz zurück, wärmte mich nochmals für 2 Tage in der tropischen Sonne des Tieflands von Bolivien, ehe ich erfüllt, gesund und glücklich wieder nach meinem 5-wöchigen Einsatz in Bolivien nach Hause zurückkehren konnte
An dieser Stelle nochmals vielen Dank an alle, die mich all die vielen Jahre hilfreich mit Spenden und Materialien unterstützen.
Aber natürlich gilt mein allergrößter Dank meinem lieben Max Steiner in Santa Cruz, mit seiner Organisation Hostelling International Bolivia (HIB) und allen seinen treuen und zuverlässigen Gehilfen. Sie ermöglichen uns die Einsätze in den Projekten recht problemlos und behütet zu erfahren.
Bolivien ist nicht immer nur schön und bequem!
Annette Schoof-Hosemann