Einsatzbericht Kamerun 2023

Gesundheitsstation Ademegola

Am 19.02.2023 ist es endlich so weit. Wir fliegen nach Kamerun, um für zwei Wochen im Auftrag des Vereins dentists & friends in der Gesundheitsstation des kleinen Dorfes Ademegola zu arbeiten. Wir, das sind die Ärztin Judith Förster, die drei Zahnärzte Keno Jannsen, Julia Liebers und Johanna Motz sowie unser Multitalent Oliver Motz (Übersetzer, Fotograf, Informatiker, Hobbyschrauber, Organisationstalent und eigentlich Philosoph).

Nach einer zweitägigen Anreise treffen wir spätabends Keno und Julia, die tags zuvor in Ademegola angekommen sind und bereits den ersten intensiven Arbeitstag hinter sich haben. Als wir ankommen, ist eine von schnellem Trommeln begleitete Feier im Gange; der Anlass: Nach Jahren des Wartens wurde die Gesundheitsstation pünktlich zu unserem Einsatz endlich offiziell von der Regierung anerkannt, sodass nun unter anderem Medikamente deutlich günstiger eingekauft werden können. Die Freude hierüber ist natürlich entsprechend groß.

Die Dorfbewohner feiern die Anerkennung der Gesundheitsstation
Die Dorfbewohner feiern die Anerkennung der Gesundheitsstation

Die Gesundheitstation

Die Gesundheitsstation wird das ganze Jahr über durch den Pfleger Christian betreut, unterstützt von Sico, der sich um die Apotheke kümmert. Während es bei uns für alle medizinischen Bereiche Fachärzte gibt, kümmert sich hier die meiste Zeit des Jahres Christian um alles. Von der chirurgischen Wundversorgung, über die Einstellung des Blutzuckers von Diabetikern bis zur Geburtshilfe. Nur in seltenen Fällen ist es möglich, die Patienten für weiterführende Diagnostik oder Therapie in die Hauptstadt Yaoundé zu bringen. Während unseres Aufenthalts arbeitet Judith intensiv mit Christian und Sico zusammen.

Judith mit dem Pfleger Christian
Judith mit dem Pfleger Christian

Zur Zeit unseres Einsatzes kommen besonders viele Patienten, auch aus den umliegenden Dörfern, um uns von ihren Problemen zu berichten: neben Herz-Kreislauf- und tropischen Infektionserkrankungen, allen voran Malaria, leiden die Menschen insbesondere unter Hernien, Augenleiden und orthopädischen Abnutzungserscheinungen oder Fehlbelastungen, die insbesondere durch die schwere Feldarbeit bedingt sind.

So leidet eine Frau mittleren Alters unter neurologischen Einschränkungen eines Armes. Bei einer Begegnung auf dem Weg zum Feld wird dann klar, dass die Halterung ihres Tragekorbes auf den Nerv drückt. Aber wie so oft hier in Ademegola gibt es einfach erstmal keine Alternativen, keinen besseren Tragegurt, keinen passenderen Korb; nur mit Hilfe eines Paar Sockens können wir die Druckstelle etwas entlasten.

Antoine, der jeden Tag 16 km aufs Feld zum Arbeiten läuft, obwohl er sich aktuell den Fuß verletzt hat. Mit seinem geschwollenen Fuß humpelt er weiter durchs Dorf. Wir bestellen ihn wieder ein und besprechen, dass er ein paar Tage ruhen müsse. »Wenn ich nicht aufs Feld gehe, gehe ich hungrig ins Bett« erklärt er uns, lässt sich dann aber doch zu drei Tagen Ruhe überreden, wenn er solange Essen bekommt.

Für einige Probleme müssen wir die Patienten noch vertrösten, da die Behandlungsoptionen noch nicht gegeben sind – insbesondere der OP-Trakt ist noch in der Fertigstellung.

Auch für Probleme mit dem Augenlicht fehlt es aktuell an Spezialisten, die die Gesundheitsstation und auch die Kampagnen von ärztlicher Seite unterstützen könnten.

Erstaunlicherweise ist sogar Unterernährung ein Thema hier, obwohl der Regenwald so eine Fülle bietet. Die Dorfbewohnerinnen erklären uns, dass sie sich hauptsächlich von verschiedenen Blättern ernähren, die aber in der Trockenzeit immer weniger werden – aktuell gegen Ende der Trockenzeit wird bei einigen Familien das Essen knapp. Teils gibt es nur eine Mahlzeit am Tag, die nicht satt macht.

Rückkehr von der Feldarbeit, barfuß
Rückkehr von der Feldarbeit, barfuß

Zum Thema Knappheit sollte noch Christians Umsichtigkeit mit den verwendeten Materialien erwähnt werden – unglaublich, wie sparsam er Pflaster verwendet – jede Ecke wird genutzt, immer maßgeschneidert zugeschnitten. 

Alles, was wir mitgebracht haben, vom Stift bis zum Desinfektionsmittel, wird sorgfältig in den gepflegten Apotheken-Bestand einsortiert – und wertgeschätzt. 

»ca va aider beaucou« (das wird uns sehr helfen) und »ça suffit« (das reicht) sind zwei häufig gebrauchte Sätze, die auch etwas von der Bescheidenheit und Sorgsamkeit zum Ausdruck bringen, die wir an den Mitarbeitern hier erleben. Christian arbeitet mit großer Ruhe und Exaktheit – und ist einfach rund um die Uhr da. Dennoch gilt es oft zu überlegen: Was können die Bewohner einer Behandlung und Diagnose leisten? Wie kann eine pragmatische Linderung verschafft werden, wenn die Mittel nicht für weiterführende Behandlungen ausreichen? 

Johanna bei der Arbeit mit Salomons Studenten
Johanna bei der Arbeit mit Salomons Studenten

Die Campagne médicale

Zweimal im Jahr organisiert CODEVIA eine »campagne médicale«, in deren Rahmen Ärzte und Zahnärzte in das Dorf fahren, um die Menschen dort so gut wie möglich zu versorgen. Im Februar gestattet es die Trockenzeit, nicht nur in der Gesundheitsstation zu arbeiten, sondern auch in die umliegenden Orte zu fahren. Auf diese Weise können möglichst viele Patienten zahnmedizinisch versorgt werden.

Aufgrund der eingeschränkten Möglichkeiten, v. a. bezüglich der Nachsorge, beschränkt sich die Behandlung auf die Entfernung von Zahnstein, unkritische Füllungstherapie und Extraktionen. Die entstehenden Zahnlücken werden mit einem pragmatischen, herausnehmbaren Zahnersatz versorgt, den die Schüler direkt vor Ort herstellen. Die Campagne wird v. a. von Dr. Salomon Zing organisiert. Er kommt ursprünglich selbst aus Ademegola. Heute ist er einer der Vorsitzenden des Vereins CODEVIA und betreibt als Zahnarzt neben einer Praxis in Yaoundé eine Dentistenschule. 25 seiner Schüler im 2. und 3.  Ausbildungsjahr haben im Rahmen der Campagne die Chance, die Patienten in und um Ademegola zahnmedizinisch zu versorgen. So ist die Campagne eine Win-win-Situation aus Patientenversorgung und Ausbildungsförderung. Salomon nimmt seinen Ausbildungsauftrag ernst. Trotz zum Teil sehr langer Arbeitstage gibt es Abends immer noch eine Stunde Vorlesung – selbst wenn das Team aufgrund einer Autopanne erst um 23:30 Uhr vom Einsatz zurückkehrt. Die Fahrten in die Dörfer machen Spaß, erfordern zum Teil aber auch gute Nerven, viel Improvisationstalent und Schweiß. Dabei sind Luftfeuchtigkeit und hohe Temperaturen nur ein Teil der Herausforderung: Die Zähne haben alle ungewöhnlich lange Wurzeln und stecken in sehr festen Kieferknochen. Ich verstehe jetzt, was unsere Vereinskollegen aus früheren Fahrten meinten, wenn sie sagten »Zähne extrahieren in Kamerun ist nichts für Anfänger«. 

Keno versorgt einen Patienten in Nguelemendouka
Keno versorgt einen Patienten in Nguelemendouka

Bei einem zahnmedizinischen Einsatz darf natürlich das Mundhygienetraining nicht zu kurz kommen. Besonders beeindruckt uns, wie Salomons Schüler den Schulkindern auf spielerische Art und Weise das Zähneputzen erklären. Schwungvoll akzentruiertes Sprechen und Klatschen hilft, die Lernsätze einzuprägen. Dabei hilft, dass in Kamerun schon den Kleinsten das Rhythmusgefühl im Blut liegt und alles, inklusive Zahnbürste, sofort zum Musikinstrument wird.

Schulkinder in Nguelemendouka winken mit überreichten Zahnbürsten
Schulkinder in Nguelemendouka winken mit überreichten Zahnbürsten

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Schüler der Maternelle (Vorschule) in Nguelemendouka (Kamerun) erlernen das Zähneputzen

Der Weg zu den Dörfern, in denen gearbeitet wird, ist zum Teil recht abenteuerlich. Abgesehen davon, dass man in Kamerun eine ganz andere Definition von »das Auto ist voll« hat, als bei uns, sind die Wege oft in einem sehr schlechten Zustand. So ist man für 20 km gern mal eine gute Stunde unterwegs. Unser souveräner Fahrer Cabrel lässt sich aber trotz seines jungen Alters durch nichts aus der Ruhe bringen. Wenn das Auto streikt, wird es repariert; erscheint eine Brücke zu windig, lässt er alle Mitfahrer aus- und absteigen, um das Auto allein auf die andere Seite zu bringen. Dort angekommen, wird die erfolgreiche Überquerung, mit einem Lied und einem Tänzchen aller gefeiert – so wie dies auch bei vielen anderen Gelegenheiten gern und oft gemacht wird auf dieser Reise. 

Unser Fahrer Cabrel sichert eine Brücke
Unser Fahrer Cabrel sichert eine Brücke

Wasserversorgung

Eigentlich gibt es zwei Brunnen in Ademegola. Bei einem ist jedoch das Chateau (Wasserturm) bei einem Gewitter zerstört worden, bei dem anderen funktioniert die Pumpe nicht mehr. Die einzige, noch funktionierende Pumpe ist stark unterdimensioniert und kann nur für ein sehr müdes Rinnsal sorgen, wenn man den Wasserhahn aufdreht – wenn überhaupt.

Deshalb wurde das Wasser in letzter Zeit mühevoll mit einem Eimer aus einem Schacht befördert, dessen Wasserspiegel momentan in ca. 28 m Tiefe liegt. Die abendliche »Dusche« beschränkt sich in der Regel auf das Volumen weniger Tassen.
Nun konnte, finanziert durch dentists&friends, eine neue Pumpe besorgt werden. Diese wurde noch während unseres Aufenthalts installiert, zusammen mit den dazugehörigen Solarpaneelen. Den Bewohnern Ademegolas ist es nun wieder möglich Wasser über die im Dorf verteilten, öffentlichen Wasserhähne zu holen.

Es gibt wieder fließend Wasser
Es gibt wieder fließend Wasser

Perspektiven

Neben der Patientversorgung war ein wichtiger Teil der Fahrt die Inventur der Gesundheitsstation, sowie intensive Gespräche mit den Vorsitzenden des Vereins CODEVIA, Samuel und Salomon, sowie den Mitarbeitern der Gesundheisstation. Ziel war der Entwurf eines klaren Fahrplans, wie die Gesundheitsstation weiterentwickelt werden kann und wie dentists&friends hierbei unterstützen kann. Die nächsten geplanten Schritte sind:

  • die Einrichtung eines OP-Raums
  • die Einrichung einer dentalen Behandlungseinheit
  • die Erweiterung des Labors zur medizinischen Diagnostik
  • der Bau eines Häuschens für den Pfleger
  • der Kauf eines neuen Autos
  • Sponsoring und Organisation der Campagne im August: hier werden v. a. Chirurgen, Augenärzte, Allgemeinärzte, Gynäkologen und Zahnärzte gesucht)
  • Ein Fonds zur finanziellen Unterstützung der Therapie chronischer Erkrankungen 
  • Brillen
  • Ein Stipendium für eine/n Dorfbewohner/in zum/zur Dentist/in in Salomons Schule
  • Projekt zur Produktion von Trockenfrüchten und Maniok-Mehl zur Verbesserung der wirtschaftlichen Situation der Dorfbewohner
Oli mit einem technisch sehr talentierten Patienten bei dem Versuch, das Ultraschallgerät zu reparieren
Oli mit einem technisch sehr talentierten Patienten bei dem Versuch, das Ultraschallgerät zu reparieren

Neben der Arbeit gibt es auch so einiges zu erleben. Fast täglich findet ein Fußballmatch statt – hier wurden »wir Deutsche« würdig von Keno vertreten.

Wochen fernab gewohnten Komforts wie fließend Wasser oder gesicherter Stromversorgung stellen bereits für sich eine Herausforderung dar. Die Verantwortung für hoffnungsvolle Patienten, die nicht nur wenige Wochen, sondern ihr ganzes Leben unter diesen Bedingungen einrichten, steigert diese Herausforderung zusätzlich, rückt allerdings auch die Dinge ins rechte Verhältnis. Unweigerlich erkennt man, wie wenig selbstverständlich unsere gewohnten medizinischen und alltäglichen Annehmlichkeiten sind. Umso bereichernder ist es, diesen Kontrast zu überbrücken und Seite an Seite mit den Ärzten vor Ort Wissen und Können zu teilen. Es wird nicht das letzte Mal gewesen sein, dass wir uns auf den Weg nach Ademegola machen – nicht nur, um Fußball zu spielen.

Abschiedsfoto mit dem ganzen Team der Campagne
Abschiedsfoto mit dem ganzen Team der Campagne

Spenden

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Der Anteil an Verwaltungs- und Werbekosten liegt bei unter 1%, so dass jede Spende fast vollständig für zahnärztlichen Versorgung verwendet wird.

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